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Plauderstunde im Kanzleramt

Michael Knigge25. Januar 2002

Das "Bündnis für Arbeit" aus Bundesregierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern gibt es seit 1996. Doch konkrete Ergebnisse sind Mangelware.

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Am Sitz des Bundeskanzlers finden die Bündnis-Gespräche stattBild: AP

Das Ritual läuft stets nach dem gleichen Schema ab: Gewerkschaften und Arbeitgeber schrauben ihre Forderungen an die Gegenseite hoch und beharren gleichzeitig auf eigenen Positionen. Je näher der Gesprächstermin rückt, desto starrer die Fronten.

Diese Beschreibung des "Bündnis für Arbeit" könnte auch für Tarifverhandlungen gelten. Mit einem Unterschied: Während beim "Bündnis für Arbeit" die Bundesregierung mit am Verhandlungstisch sitzt, werden die Tarifgespräche ausschließlich von Gewerkschaften und Arbeitergebern geführt. Das hat den Vorteil, dass beide Seiten ihrer Klientel am Ende konkrete Ergebnisse vorlegen müssen, die für die Mitglieder einigermaßen akzeptabel sind. Ansonsten gerät nicht nur die eigene Organisation, sondern möglicherweise auch der jeweilige Verhandlungsführer unter Druck.

Wenig Ergebnisse

Weil dieser Ergebnisdruck nicht auf dem "Bündnis für Arbeit" lastet, kamen in bisher sieben Gesprächsrunden im Kanzleramt nur wenige konkrete Verabredungen zustande. Der Ort des Zusammentreffens zeigt, wer das Hauptinteresse an Ergebnissen hat: die Bundesregierung. Sie versucht seit Jahren, durch das "Bündnis für Arbeit" einen nationalen Beschäftigungspakt zu schaffen, an dem die wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Akteure beteiligt sind.

Die Ziele des Bündnisses sind klar: mehr Arbeitsplätze und weniger Arbeitslose. Nur über den Weg dahin, sind sich Gewerkschaften und Arbeitgeber selten einig. Da jedoch ohne Zustimmung beider Parteien, keine Lösung umgesetzt werden kann, gilt das "Bündnis für Arbeit" unter Experten auch als "talking shop": Eine primär politische Veranstaltung, auf der über die wirtschaftliche Probleme nur geredet, aber nicht entschieden wird.

Neue Jobs und Frührente

Vereinbarungen zu konkreten Maßnahmen gab es seit dem von den Gewerkschaften angestoßenen ersten Treffen des Bündnisses im Jahr 1996 vor allem in zwei Bereichen: Tarifpolitik und Vorruhestand. 1999 einigten sich die Verhandlungspartner, Produktivitätszuwächse für neue Stellen statt für Lohnerhöhungen zu verwenden. Zudem wurde der Abbau von Überstunden durch Neueinstellungen beschlossen. Ein Jahr später einigten sich alle Seiten, verschiedene Modelle für einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben zu schaffen.

Inzwischen stimmen alle Partner über ein, dass durch die tarifpolitischen Vereinbarungen Hundertausende von Jobs geschaffen wurden. Die Gewerkschaften kritisieren jedoch, dass die Unternehmen die Überstunden nicht in Arbeitsplätze umgewandelt hätten.

Bundestagswahl im Blickpunkt

Häufiger als durch Erfolge machte das "Bündnis für Arbeit" durch Mißerfolge Schlagzeilen: Sowohl Kanzler Kohl als auch Nachfolger Schröder - beide hatten kompromissunwillige Gesprächspartner und kurzfristige Absagen geplanter Bündnis-Runden zu verkraften. Dennoch bietet das Zusammentreffen im Kanzleramt für die Politik die Chance, Handlungsfähigkeit und Führungsstärke im Wirtschaftsbereich zu demonstrieren. Ob das "Bündnis für Arbeit" allerdings ausgerechnet im Wahljahr 2002 zu Ergebnissen führen wird, erscheint fraglich. Nach dem Scheitern der Runde 1996 kündigten die Gewerkschaften ein Jahr später ihre Bereitschaft für ein neues Bündnis an: Starttermin 1998, nach der Bundestagswahl.