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Pleistozän-Park

Max Hofmann26. Februar 2003

Kazutoshi Kobayashi hat einen Traum. Er will ein wollhaariges Mammut zum Leben erwecken. Dazu benötigt er intakte Zellen des vor 3700 Jahren ausgestorbenen Eiszeit-Riesen.

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Vorstoß in die EiszeitBild: AP

Irgendwo in der unendlichen Weite Sibiriens. Der Boden erzittert unter den Tritten einer siebenköpfigen Mammutherde. Der Leitbulle ist fast vier Meter hoch. Sein Zottelfell schützt ihn vor der Kälte. Mit den majestätisch geschwungenen Stoßzähnen schaufelt er den Schnee von der Steppe, um an Futter zu gelangen. Plötzlich trompetet er gebieterisch in den stahlblauen, arktischen Himmel. Die Herde zieht weiter.

Das ist der Traum, dem der japanische Unternehmer Kazuteshi Kobayashi seit knapp zehn Jahren nachjagt. Er will ein ausgestorbenes Mammut aus den Klauen seines eisigen Grabes befreien und ihm neues Leben einhauchen. Damit der Traum in Erfüllung geht, muss er irgendwo im sibirischen Dauerfrostboden, dem so genannten Permafrost, einen gut erhaltenen Kadaver finden.

Woll - Mammut Zeichnung
Japanische TräumeBild: AP

Die Wiederauferstehung des Mammuts

In seinem neu erschienenen Buch "Mammoth, the resurrection of an Ice-Age Giant" ("Mammut, die Wiederauferstehung eines Eiszeit-Giganten") beschreibt Richard Stone von "Science Magazine" die Suche nach der Mammut-Stecknadel im arktischen Heuhaufen. Er erzählt von zahlreichen Funden, wie dem des weltberühmten Mammut-Baby Dima. Jahrtausende im ewigen Eis hatten ihm praktisch nichts anhaben können. Eine Gruppe von Minenarbeitern fand die Überreste bei ihrer Suche nach Gold in einer Flussböschung. Nachdem Dima dem Permafrost entrissen war, fing das Mammut-Baby schnell an zu verwesen. Dimas Erbgut wurde von neuzeitlichen Bakterien zersetzt.

Mammut-Zahn
Zahnarzt oder Autor? Richard StoneBild: Mutsumi Stone

Der Japaner Kobayashi sucht nach einem ähnlich gut erhaltenen Tier wie Dima. Allerdings nicht unbedingt, um es zu klonen. Zusammen mit seinem Partner, dem Wissenschaftler Dr. Kazufumi Goto, hat er sich eine Alternative einfallen lassen. Mit gefrorenem Mammut-Sperma, so Kobayashi zu DW-WORLD, könnten sie eine ganz normale Elefantenkuh befruchten. Das Ergebnis wäre ein Hybrid, halb Mammut, halb Elefant. Diese Prozedur wollen sie dann über einige Generationen wiederholen. "So", weiß Kobayashi, "würde das Halb-Mammut einem 100prozentigen Mammut immer ähnlicher".

Kobayashi jagt also sowohl klonfähige Zellen von irgendeinem Körperteil als auch gefrorene Spermazellen. Wichtig für das Gelingen seiner Pläne ist, dass die jeweiligen Zellen unzerstörte DNA-Stränge und damit den gesamen Mammut-Bauplan enthalten. Im Gegensatz zu den vor 65 Millionen Jahren ausgestorbenen Dinosauriern, scheint das beim wollhaarigen Mammut nicht unmöglich. Wenn diese Zellen erst einmal im Reagenzglas sind, so glaubt auch Richard Stone, sei die Rückkehr des Eisgiganten nur noch eine Frage der Zeit.

Das fliegende Mammut

Mit dem Fund eines gut erhaltenen Mammuts fangen die Probleme aber erst an. Meistens stoßen Nomaden oder Arbeiter zufällig auf die Kadaver. Manchmal wissen die zufälligen Entdecker gar nicht, welchen Schatz sie vor sich haben. Es sind Fälle bekannt, in denen gefrorenes Mammutfleisch an Hunde verfüttert wurde. Bestenfalls werden zuständige Behörden und Wissenschaftler informiert. Dann stellt sich die Frage: Wie transportiert man ein tonnenschweres gefrorenes Mammut aus der sibirischen Eiswüste in ein Labor, ohne dass es beschädigt wird?

Mammut-Baby
Dima: seit 40.000 Jahren ein BabyBild: Mutsumi Stone

Der französische Eisforscher Bernard Buigues unternahm vor drei Jahren die bisher spektakulärste Bergung von Mammut-Überresten. Gemeinsam mit seinem Forscherteam hatte er sehr gut erhaltenes Mammut-Haar gefunden. Darunter vermutete er den dazu gehörigen Kadaver. Um nichts zu zerstören, meißelte er einen 23 Tonnen schweren Block rund um die Überreste aus dem Eis und ließ ihn per Hubschrauber abtransportieren. Die Enttäuschung war groß, als man nur Haut und Knochen in dem Block fand.

Durchbruch in Jakutien?

Relativ unvermittelt kam nun Anfang Februar 2003 die Nachricht, russische Wissenschaftler hätten in der sibirischen Teilrepublik Jakutien klonfähige Mammut-Zellen aus Beinteilen gefunden. Autor Stone ist skeptisch: "Mit dieser Aussage muss man sehr vorsichtig umgehen", meint er im Gespräch mit DW-WORLD. Auch dem japanischen Unternehmer Kazuteshi Kobayashi wird der Fund nicht weiterhelfen. Er hat nicht die Absicht, die russischen Wissenschaftler um eine Probe der Zellen zu bitten. "Wir haben unseren eigenen Entdeckungsplan, um selbst ein Mammut zu finden" meint er.

Dieses Mammut soll dann in einem riesigen Gehege in Sibirien leben. Der vorläufige Name ist durch das Erdzeitalter inspiriert, in dem die Eiszeit-Riesen lebten: "Pleistozän-Park". Moralische Skrupel hat Kobayashi nicht. "Wir wollen der Welt einen Traum schenken" erklärt er. Auch Stone hat kaum ethische Bedenken. Allerdings fände er es grausam, ein Mammut allein in die Welt zu setzen. Um eine kleine Herde zu klonen, "müsste man", so seine Vorstellung, "in einer großangelegten Aktion mindestens sieben gut erhaltene Exemplare finden". Er ist davon überzeugt, dass es sie gibt. "Im vergangenen Jahrhundert wurden zufällig ungefähr hundert gut erhaltene Mammuts gefunden" erklärt er seine Überzeugung. "Ich habe das Gefühl, dass noch massenhaft im Eis stecken." Kobayashi kann also weiterträumen.

Mammut-Knochen
Manischer Mammutsucher: KobayashiBild: Kazutoshi Kobayashi