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Pocken, Pest und SARS?

Marcus Bösch29. April 2003

Ist SARS wirklich bedrohlicher als bislang angenommen? Die Angst vor dem Schweren Akuten Atemwegssyndrom packt inzwischen sogar Experten. Zum Glück nicht jeden. Vielleicht ist alles doch nicht so schlimm.

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Schreckgespenst SARS-ErregerBild: AP

"Eine Epidemie ist wenig wahrscheinlich", erklärten Virologen wie der Schweizer Christian Griot noch vor knapp sechs Wochen. Inzwischen benutzen Virologen und Mediziner den Terminus "Seuche" bei der Beschreibung des Phänomens SARS. Wissenschaftler korrigieren das vermeintliche Todesrisiko der Krankheit deutlich nach oben. Und die Leiterin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gro Harlem Brundtland erklärt SARS als "erste globale Epidemie des 21. Jahrhunderts, die in die Geschichte eingehen wird".

Wirksame Panikmache

Pockenvirus
PockenvirusBild: AP

Immer neue Schreckensszenarien treffen auf eine völlig verunsicherte Bevölkerung. Und bei aller Aufregung scheint langsam aber sicher jeglicher rationaler Vergleichsmaßstab zu entgleiten. "Das kann uns über Nacht erwischen", spekuliert Prof. Klaus-Henning Usadel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Auch in Europa könne es zu einer "gefährlichen Situation" kommen.

Beim Vergleich mit anderen Infektionskrankheiten relativiert sich allerdings das Bild vom neuen Schreckensgespenst SARS. "Im Moment haben wir beispielsweise in Deutschland sieben sichere und 31 noch unklare Verdachtsfälle auf SARS. Gestorben ist daran in Deutschland noch niemand", erklärt Dr. Jürgen Rissland vom Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW im Gespräch mit DW-WORLD. Als Vergleich nennt er die wesentlich höher liegenden Grippe-Fälle, bei denen es im Unterschied zu SARS in Deutschland auch jedes Jahr zahlreiche Tote gibt. Die sterben dann ganz ohne breitenwirksame Panikmache – einfach aufgrund des wesentlich höheren Todesrisikos bei einer Influenza.

Wichtigere Herausforderungen

HIV infizierte menschliche T-Zelle
Mit HIV-infizierte menschliche ZelleBild: AP

"Außerdem gibt es ganz andere Seuchen, ganz andere Herauforderungen", sagt Rissland. Und erinnert an Malaria, Tuberkulose oder HIV. "Das sind Seuchen, die sich mit SARS gar nicht vergleichen lassen". Anscheinend hat die Leiterin der WHO Brundtland bei ihren Ausführungen zum Thema globale Epidemie im 21. Jahrhundert kurz vergessen, dass es neben den etwa 3.000 bis 5.000 an SARS Infizierten beispielsweise auch rund 42 Millionen HIV-Infizierte weltweit gibt.

Trotz der immer noch "schwer einzuschätzenden Lage" warnt Rissland vor falscher Panikmache. "Wir haben Erfahrungswerte von anderen Epidemien und werden den Virus mit der Zeit besser kennen lernen und präventive Maßnahmen entwickeln." Bereits jetzt ist klar, dass SARS weitaus weniger ansteckend und tötlich ist, als andere Seuchen. Unklar bleibt, wann es einen wirkungsvollen Impfstoff und ein funktionierendes Gegenmittel geben wird.