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Poetisch und modern: Barbro Lindgren

Kristina Reymann2. Juni 2014

Als erste Schwedin erhält Barbro Lindgren den Astrid-Lindgren-Memorial-Award, den wichtigsten Preis für Kinder- und Jugendliteratur. In Deutschland ist sie in Vergessenheit geraten, in Schweden kennt sie jedes Kind.

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Schriftstellerin Barbro Lindgren (Foto: picture alliance/ ap)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Barbro Lindgren ist mit Astrid Lindgren nicht verwandt. Und doch haben die Frauen manches gemeinsam. Beide kommen aus Schweden, beide haben Geschichten für Kinder geschrieben und diese im selben Verlag veröffentlicht. Die Erfinderin von Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga aber starb bereits 2002. Ein Jahr nach ihrem Tod wurde der Astrid-Lindgren-Memorial-Award (ALMA) von der schwedischen Regierung ins Leben erstmals vergeben. Der ALMA ist mit fünf Millionen schwedischen Kronen (rund 554.000 Euro) dotiert und gilt als der weltweit wichtigste Preis für Kinder- und Jugendliteratur. Barbro Lindgren, heute 77 Jahre alt, ist die erste schwedische Preisträgerin. "Barbro Lindgren ist eine literarische Wegbegleiterin. Sie hat mit sprachlicher Kühnheit und psychologischem Gespür nicht nur das Bilderbuch für die Allerkleinsten, sondern auch die absurde Prosaerzählung, das existenzielle Kindergedicht und die realistische Darstellung der Jugend modernisiert", begründet die Jury ihre Entscheidung.

Schreibtipps von der berühmten Namensvetterin

Schon als junge Frau fing Barbro Lindgren an, zu schreiben. Anfang der 1960er Jahre schickte sie ein Manuskript an den Verlag Rabén & Sjögren – wo ihre berühmte Namensvetterin Astrid Lindgren als Lektorin und Autorin arbeitete. Diese lehnte zunächst ab, aber sie sah Potential und gab Barbro Tipps, wie sie die Geschichte verbessern konnte und ermunterte die junge Autorin, weiterzuschreiben. Das tat sie und reichte das Manuskript abermals ein. Mit Erfolg.

Buchcover "Ole, Pelle und Brötchen" von Barbro Lindgren (Foto: Verlagsgruppe Oetinger)
Buchcover von Barbro Lindgrens "Ole, Pelle und das Brötchen" (1972)

1965 erschien ihr erstes Kinderbuch "Ole, Pelle und das Brötchen" bei Rabén & Sjögren, das von einem fünfjährigen Abenteurer erzählt, der unter anderem versucht, seine kleine Schwester zu verkaufen. Es folgten weitere Kinderbücher, Bilderbücher, autobiografische Texte, Gedichte und Romane für Erwachsene. "Viele ihrer Texte sind in Schweden noch immer aktuell", sagt Silke Weitendorf vom Oetinger Verlag, der seit 1966 Barbro Lindgrens Texte in der deutschen Übersetzung herausgibt. "Schwedische Kinder wachsen noch heute mit ihren Büchern auf."

Verlegerin Weitendorf: "Wir fanden sie wegweisend und modern"

In Schweden gilt Barbro Lindgren nicht in erster Linie als Kinderbuchautorin, sondern als Autorin für Erwachsenen-Literatur. Aber: "Barbro Lindgren hat in Schweden großen Einfluss auf die Kinder- und Jugendliteratur genommen", sagt die Silke Weitendorf. Sie hat in den 1960er Jahren ebenfalls bei Rabén & Sjögren gearbeitet und sich mit Astrid Lindgren ein Büro geteilt. Astrid Lindgren war auch diejenige, die Barbro Lindgren der deutschen Verlegerin weiterempfahl. "Wir waren begeistert von Barbros Stil", erinnert sich Silke Weitendorf. "Wir fanden sie wegweisend und modern im Ton. Und sie konnte kindliche Gefühle gut beschreiben."

Ihre Texte sind in rund 30 Sprachen übersetzt worden. Trotzdem ist ihr Werk in den skandinavischen Ländern viel bekannter, als beispielsweise in Deutschland, wo viele Bücher seit den 1970er Jahren in Vergessenheit geraten und inzwischen über den Handel nicht mehr zu bekommen sind. Möglich, dass es am Genre liegt. Bilderbuchautoren würden in Deutschland einfach nicht so bekannt, sagt Silke Weitendorf. Möglich ist aber auch, dass ihre Bücher für den deutschen Markt zu schräg seien, vermutet sie. "Ihre Texte sind sehr humorvoll und phantasievoll und sehr emotional", sagt Weitendorf und schwärmt von der verknappten Kunstsprache, die Barbro Lindgren in ihren Bilderbüchern verwende. Zusammen mit der Illustratorin Eva Eriksson, die vieler ihrer Texte bebildert hat, habe sie Geniales geschaffen.

Silke Weitendorf (Foto: Verlagsgruppe Oetinger)
Silke Weitendorf verlegt seit den 1966 Barbro Lindgrens Texte in deutscher SpracheBild: Verlagsgruppe Oetinger

Verrückte Geschichten für Zweijährige und Erwachsene

"Es sind sehr eigensinnige Bücher mit skurrilen Figuren", ergänzt Astrid Surmatz, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Amsterdam mit dem Schwerpunkt Skandinavische Literatur. "Trotzdem sind die Geschichten sehr realistisch und detailgetreu erzählt und sie zeigen menschliches Engagement für die Schwächeren", sagt Surmatz. "An der literarischen Qualität kann es nicht liegen, dass die Texte heute weniger gelesen werden, weil die Texte sehr poetisch sind und ein bisschen verrückt." Barbro Lindgren könne mit ihren Büchern Zweijährige und Erwachsene gleichermaßen begeistern.

Vielleicht werden Barbro Lindgrens Texte durch die Auszeichnung der Autorin mit dem ALMA nun auch international wiederentdeckt. Wünschenswert wäre es, findet die Literaturwissenschaftlerin. Die Preisverleihung findet am 02. Juni in Stockholm statt.