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Polarstern auf unsicherem Kurs

Jan Lublinski30. Januar 2009

Das umstrittene deutsch-indische Eisendüngungsexperiment LOHAFEX ist gestartet. Keine leichte Aufgabe für Projektleiter Victor Smetacek.

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Das Forschungsschiff Polarstern in ruhiger See
Das Forschungsschiff PolarsternBild: Alfred-Wegener-Institut

Wäre es nach dem deutschen Umweltminister Gabriel und einigen Umweltschützern gegangen, hätte das deutsche Forschungsschiff „Polarstern“ in letzter Minute umkehren müssen. Von unüberschaubaren Gefahren für die Umwelt und wissenschaftlichem Größenwahnsinn war die Rede. Nun aber haben zwei unabhängige Gutachter das deutsch-indische Forschungsprojekt LOHAFEX für sinnvoll und unbedenklich befunden. Forschungsministerin Schavan hat daraufhin den 48 Wissenschaftlern an Bord der „Polarstern“ grünes Licht gegeben für ein Experiment, bei dem sie sechs Tonnen Eisensulfatspäne in den südlichen Atlantik kippen werden.

Klimaretter Eisen?

Eine Senkstofffalle wird zu Wasser gelassen. Mit der Falle werden zum Meeresgrund absinkende Algen aufgefangen.
Eine Senkstofffalle wird zu Wasser gelassen, um absinkende Algen aufgefangen.Bild: Alfred-Wegener-Institut

Die sogenannte Eisendüngung der Ozeane ist, zumindest auf den ersten Blick, ein einfaches Rezept zur Rettung des Klimas: Wenn man Eisen an geeigneten Stellen ins Meer kippt, entsteht eine kräftige Algenblüte. Die Algen nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf und sinken mit ihm in die Tiefen des Meeres. Doch die meisten Wissenschaftler und Umweltschützer sehen bei diesem Verfahren Gefahren für die Ökosysteme. Und bislang ist längst nicht geklärt, ob die Eisendüngung überhaupt funktioniert. Victor Smetacek vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung sieht darum vor allem Forschungsbedarf. Er ist der Projektleiter des Eisendüngungsexperiments, zu welchem das deutsche Forschungsschiff Polarstern derzeit im Südatlantik unterwegs ist. Mit seinen Kollegen will er über einen Zeitraum von 45 Tagen beobachten, wie sich die Ökosysteme vor Ort durch die Eisendüngung verändern. Smetacek will die Rolle der Ozeane im globalen Kohlenstoffkreislauf verstehen, den Einfluss des Eisens auf die Ökosysteme, die Bewegung der Algen im tiefen Meer.

Kalter Ozeanwirbel in dessen Kern das LOHAFEX Experiment durchgeführt wird.
Kalter Ozeanwirbel in dessen Kern das LOHAFEX Experiment durchgeführt wird.Bild: Alfred-Wegener-Institut

Aber nicht nur das. Er will mit diesen Forschungen auch einen Beitrag zur Rettung des Weltklimas leisten. „Wenn der Meeresspiegel um ein, zwei Meter ansteigt, verlieren wir die Korallenriffe und die Mangrovenwälder“, sagt Smetacek. „Die Küstenstädte sind dann unmittelbar bedroht. Wir müssen darum den CO2-Gehalt in der Atmosphäre dringend verringern.“

Ein verkannter Visionär?

Victor Smetacek, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven
Meeresforscher Victor SmetacekBild: AWI

Victor Smetacek ist ein faszinierender Redner, ein warmer, offener Mensch, der sich und andere begeistern kann. Wenn der gebürtige Inder allgemeinverständliche Vorträge über Themen wie Klimaentwicklung oder aussterbende Tierarten hält, fiebert das ganze Publikum mit. Auch seine Fachkollegen und ehemaligen Doktoranden bescheinigen dem Professor, dass er zu den inspirierendsten und kreativsten Köpfen in der Meeresforschung zählt.

Smetacek hegt die Hoffnung, dass ein Algenwachstum, angeregt durch Eisendüngung, den Ozeanen gut tun könnte. Denn die Algen sind Futtermittel etwa für den Kleinkrebs Krill, der wiederum von größeren Meeresbewohnern gefressen wird. Der Meeresforscher sieht hier eine Möglichkeit, die großen Fisch- und Walbestände wieder aufzuforsten: „Wenn wir Restauration der Meeresökosysteme betreiben wollen, also dem ursprünglichen Zustand wiederherstellen wollen, dann sollten wir das mit Eisendüngung tun.“

Die Kritiker der Eisendüngung

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AlgenBild: DW-TV

Doch an diesem Punkt können nur wenige Fachkollegen Smetacek folgen. Ulf Riebesell vom IFM Geomar in Kiel weist etwa darauf hin, dass es durch den zusätzlichen CO2-Eintrag zu einer Versauerung der Meere und zu Sauerstoffarmut in bestimmten Bereichen kommen kann, mit negativen Folgen für viele Meerestiere. „Es könnte auch sein, dass bestimmte Gruppen von Organismen, zum Beispiel toxische Algen, in stärkeren Konzentrationen auftreten. Und dieses Risiko müssten wir erst einmal abschätzen können.“

Auch sei es keineswegs so, dass sich mit der Eisendüngung allein das Klima retten ließe. Selbst unter extrem optimistischen Annahmen könne man mit dieser Methode nur einen winzigen Bruchteil des menschengemachten Kohledioxids unter den Teppich kehren. Das zeigt auch eine Publikation britischer Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachblattes "Nature". Die Vision von der Eisendüngung habe „einen weiteren Rückschlag erhalten“, schreibt das Blatt.

Geldverdienen mit dem Eisen

Trotzdem gibt es Geschäftemacher, die daran interessiert sind, sich Eisendüngungs-Projekte über den internationalen Handel mit Verschmutzungsrechten bezahlen zu lassen. „Ökonomisch gesehen wäre die Eisendüngung sicherlich eine besonders günstige Option, CO2 aus der Atmosphäre verschwinden zu lassen.“

Damit dies nicht geschieht, hat die Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversität im vergangenen Sommer in Bonn vereinbart, dass man sich in Sachen kommerzielle Eisendüngung weltweit zurückhalten will. Victor Smetacek sieht das ebenso. Er spricht sich ausdrücklich dagegen aus: "Eine Freigabe zur kommerziellen Düngung wäre für mich ein Albtraum", sagt der Meeresforscher und fordert sogar eine UN-Agentur, die zukünftige, privatwirtschaftliche Projekte der Eisendüngung verifiziert und überwacht.