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Polen mit neuem Finanzminister

15. Juli 2002

– Ausländische Investoren reagieren mit Massenverkauf polnischer Staatsanleihen

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Warschau, 15.7.2002, RZECZPOSPOLITA, poln.,

Ausländische Investoren haben in der letzten Zeit polnische Staatsanleihen im Wert von fast drei Milliarden Zloty verkauft. Jetzt, nachdem die Panikwelle vorbei ist, warten sie darauf, was der neue Finanzminister, Grzegorz Kolodko, macht. Von seinen Äußerungen wird es abhängen, ob sie ihre Investitionspläne in Polen aufgeben oder ob sie hier bleiben.

Die ausländischen Geldanleger wollten nicht mehr mit unserer Währung und unseren Staatsanleihen handeln. Sie warten nur darauf, dass die Pläne des neuen Ministers bekannt gegeben werden. Es handelt sich hauptsächlich um Informationen über eine Abwertung des Zloty. Die ausländischen Investoren glauben dem Premierminister Miller nicht mehr, der beteuerte, dass die Regierung keine Abwertung des Zloty plane.

"Solange die Beteuerungen der Regierung nicht überzeugend wirken, wird sich Unsicherheit unter den ausländischen Investoren breit machen", sagt Arkadiusz Krzesniak, Wirtschaftsexperte der Deutschen Bank Polska.

Die polnischen Banken und die Rentenfonds kauften gern die jetzt verbilligten Staatsanleihen an. Dies erhöht die Rentabilität. Auf dem Währungsmarkt dagegen gab es keine größeren Schwankungen (...)

"Die polnischen Banken sehen optimistisch der Zukunft entgegen und bringen das zum Ausdruck, indem sie Staatsanleihen kaufen", meint Marcin Dabek von der Societe Generale und fügt hinzu: "Die Ausländer veräußerten seit Freitag die Staatsanleihen mit Verlust, vor allem die, die fünf bis zehn Jahre laufen."

Nach verschiedenen Schätzungen befanden sich in den Händen ausländischer Investoren polnische Wertpapiere im Wert von etwa 28 Milliarden Zloty (etwa 6,8 Milliarden Euro). In den letzten drei Tagen wurden etwa 10 Prozent davon veräußert".

Gerade ausländische Investoren fingen als Erste damit an, die Wertpapiere zu veräußern. Dann schlossen sich auch manche polnische Banken an: "In Panik sind vor allem Währungsspekulanten geraten", meint Marek Stypulkowski von der Raiffeisenbank Polska. (....)

"Die Analytiker bleiben jedoch guter Hoffnung: Die Wahrscheinlichkeit, dass der optimistische Plan verwirklicht wird, liegt bei 80 Prozent", meint Arkadiusz Krzesniak. Die optimistische Variante sieht vor, dass sich die harte Währungspolitik der Regierung nicht ändert und dass die Gefahr der Abwertung des Zloty gebannt wird. Grzegorz Kolodko wird in der nächsten Woche erklären, dass er den Kurs von Marek Belka weiter verfolgen möchte und dass von einer Vergrößerung des Haushaltslochs keine Rede sein kann. Dann wird sich der Kurs des Zloty innerhalb von einigen Tagen wieder stabilisieren und die ausländischen Investoren werden zurückkehren. Darüber hinaus wird auch die Nachfrage nach Wertpapieren steigen und ihre Rentabilität sinken. Der Markt wird schließlich den schwächeren Zloty akzeptieren", meint Arkadiusz Krzesniak

Weniger wahrscheinlich aber umso gefährlicher wäre jedoch die pessimistische Variante für die Wirtschaft Polens: Sie sieht eine Auseinandersetzung zwischen der Polnischen Nationalbank und der Regierung und im Endeffekt die Erweiterung der Zahl der Mitglieder des Währungsrates und darüber hinaus eine weitere Abschwächung des Zloty und eine Änderung der Währungspolitik. Dann werden auch die ausländischen Investoren Polen massenhaft verlassen.

"Die ausländischen Verkäufer reagieren nämlich sehr empfindlich und folgen dem Herdentrieb. Wenn nur einige von ihnen anfangen, Staatsanleihen zu verkaufen, macht auch der Rest dasselbe", sagt Adam Drozdowski von der Bank Handlowy (Handelsbank).

Eine weitere Folge dieser pessimistischen Variante kann mit der Senkung der Nachfrage nach Wertpapieren verbunden sein. Wie bedrohlich die Konsequenzen auf die Reaktion der ausländischen Investoren werden können, konnte sich das Finanzministerium am vergangenen Dienstag vorstellen, als eine Ausschreibung für den Wechsel der Staatsanleihen, die bald ihre Gültigkeit verlieren, stattfand. Bei dieser Gelegenheit ist jedoch kein Wechsel zustande gekommen, da das Finanzministerium die Preise nicht akzeptierte, die von den Investoren geboten wurden.

Wenn sich die pessimistische Version erfüllen sollte, wird auch die nächste Ausschreibung scheitern, die für den 17.7. angesetzt wurde. Dem Finanzministerium können nämlich Angebote vorgelegt werden, die es nicht annehmen möchte. Die Analytiker sind der Meinung, dass die Ergebnisse dieser Ausschreibung sehr wichtig sein würden, wenn sich der Finanzminister bis dahin über seine Pläne bezüglich der Währungspolitik nicht geäußert haben sollte. Sie vertreten gleichzeitig die Ansicht, dass es durchaus möglich sei, dass sich weder Minister Kolodko noch die Regierung innerhalb der nächsten zwei Wochen zur Währungspolitik äußern. Wenn dann die Ausschreibung scheitern sollte, würde dies bedeuten, dass eine zweite Panikwelle und darüber hinaus auch Massenverkäufe zu erwarten seien.

"Die letzten Geschehnisse trugen dazu bei, dass sich die ausländischen Investoren auch vom Aktienmarkt zurück gezogen haben. Sie tauschten ihre Zloty in andere Währungen um und warten ab, was weiter geschieht", sagte Grzegorz Stulgis, Investitionsberater des Credit Suisse Asset Management gegenüber der Zeitung Rzeczpospolita.

Er wies gleichzeitig darauf hin, dass die ausländischen Investoren ihre Ersparnisse in Dollars oder in Euro rechnen. Die plötzlichen Veränderungen auf dem Währungsmarkt beeinflussen direkt ihre Geschäftsergebnisse. Die Abschwächung des Zloty vermindert ihren Gewinn. Er betont jedoch, dass die Reaktion auf dem Aktienmarkt weniger heftig war als auf dem Währungs- und Wertpapierenmarkt. Seiner Meinung nach ist diese Tatsache darauf zurückzuführen, dass sich die ausländischen Investoren schon seit über einem halben Jahr von der Warschauer Börse zurückziehen. (...) (Sta)