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Polen will Anwalt der Ukraine bleiben

16. November 2006

In Kiew trafen sich die Regierungschefs der Ukraine und Polens, Wiktor Janukowytsch und Jaroslaw Kaczynski. Sie vereinbarten gemeinsame Energieprojekte. Thema war auch das Veto Polens gegen ein EU-Abkommen mit Russland.

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Jaroslaw Kaczynski befürwortet eine NATO- und EU-Mitgliedschaft der UkraineBild: AP

Während des Besuchs des polnischen Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski in Kiew am 15. November wurden nicht nur bilaterale Fragen erörtert. Beim Treffen mit dem ukrainischen Premier Wiktor Janukowytsch erklärte Kaczynski, das Veto seines Landes gegen ein neues EU-Partnerschaftsabkommen mit Russland sei nicht zuletzt auf das russische Embargo gegen polnische Fleischimporte zurückzuführen. Dabei betonte Kaczynski, es sei nichts Außerordentliches geschehen, Polen verlange lediglich, Moskau solle sich gegenüber Warschau so verhalten, wie es sich auch den anderen EU-Ländern gegenüber verhalte. Janukowytsch entgegnete dem, die Ukraine sei bereit, bei der Lösung dieses Konflikts zwischen Russland und Polen zu vermitteln.

Maria Wagrowska vom Zentrum für internationale Beziehungen in Warschau meint, eine Vermittlung der Ukraine sei unwahrscheinlich: "In Polen wird die Ukraine als Gegengewicht zu Russland betrachtet. Es wäre aber seltsam, wenn die Ukraine zur Lösung des polnisch-russischen Konflikts beitragen würde. Ich glaube nicht, dass man in Polen diesen Vorschlag ernst nehmen wird, weil Warschau darum bemüht ist, dass die EU bei der Lösung jener Missverständnisse die Hauptrolle spielt."

Ausbau von Erdöl- und Erdgasleitungen

Beim ihrem Treffen in Kiew einigten sich Janukowytsch und Kaczynski über den Export ukrainischen Stroms nach Polen und die Umsetzung von Projekten im Energiebereich. Kaczynski erklärte, sein Land habe EU-Mittel für den Weiterbau einer ukrainischen Pipeline nach Polen erhalten. Janukowytsch präzisierte, vereinbart worden sei, in einer ersten Phase die Erdölpipeline über polnisches Territorium mit der Raffinerie im tschechischen Kralupy zu verbinden. "Das ist der Start der Erdölpipeline Odessa-Brody-Kralupy", sagte der ukrainische Premier und fügte hinzu: "Unsere Partner am Kaspischen Meer sind an dem Projekt interessiert."

Janukowytsch zufolge gibt es weitere aussichtsreiche Bereiche der Zusammenarbeit im Energiesektor. So sollen polnisch-ukrainische Gesellschaften gegründet werden, die sich mit dem Aufbau von Erdgasversorgung, dem Verkauf von Erdgas und mit Dienstleistungen für die Endverbraucher in beiden Ländern befassen sollen. Außerdem sollen sie Flüssiggas vertreiben. Darüber hinaus planen die Seiten den Bau eine Erdgasleitung in Polen, die das ukrainische und polnische Leitungsnetz, aber auch das anderer europäischer Staaten verbinden soll.

Neuer Pragmatismus in Warschau

Polen ist weiterhin an einer Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO und EU interessiert. Dies betonte Kaczynski bei seinem Besuch in Kiew. Experten meinen, Warschau wolle Kiews Anwalt in der EU bleiben, aber Polens Haltung sei pragmatischer geworden. Maria Wagrowska vom Zentrum für internationale Beziehungen in Warschau erläutert: "Früher wollten die Polen die Ukraine so schnell wie möglich ohne irgendwelche Bedingungen in der NATO und EU sehen. Jetzt betont Polen, es wolle auch künftig Anwalt der Ukraine sein, aber nur unter der Bedingung, dass es sich um eine demokratische Ukraine handelt."

Die Politikwissenschaftlerin Wagrowska berichtet, in Polen herrsche eine gewisse Nostalgie nach der "Orange Revolution", aber dennoch sympathisierten die Polen weiter mit der Ukraine. Kaczynskis Besuch beweise eine gewisse Stabilität in Warschaus Strategie gegenüber Kiew, die noch aus der Regierungszeit von Aleksander Kwasniewski stamme: "Es gibt aber einen Unterschied: Heute konzentriert man sich auf einzelne Großprojekte in Bereichen wie Energie- oder Bauwesen. Es bleibt aber die Hoffnung, dass sich die Ukraine von ihrem unklaren außenpolitischen Kurs zugunsten einer West-Annäherung abwendet."

Lesya Yurchenko, Oleksandr Sawyzkyj
DW-RADIO/Ukrainisch, DW-RADIO/Russisch, 15.11.2006, Fokus Ost-Südost