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Polen wird zu einer Mülldeponie

10. Dezember 2002

- Illegale Mülltransporte aus dem Ausland, Misswirtschaft im Inland und Untätigkeit der Behörden

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Posen, 1.12.2002, WPROST, poln., Janina Blikowska

(...) Die Bewohner der Ortschaft Stawno (Westpommern) sind von der Krankheit Chlorrose bedroht. Auf dem Gelände eines Landwirtschaftsbetriebes werden dort 65 Tonnen Abfälle gelagert, die von einer aufgelösten Farben- und Lackfabrik in Dresden stammen. Sie wurden als "Elemente zur Farbproduktion" eingeführt. In Wirklichkeit aber ist das eine echte chemische Bombe.

Dieser Landwirtschaftsbetrieb in Stawno ist nur eine von 10 000 illegalen Müllkippen in Polen (nur 1 000 Mülldeponien sind legal). Die Mehrheit der giftigen Abfälle (5 000 bis 6 000 Tonnen) werden aus dem Ausland eingeführt. Die Zollbeamten schauen sich bei der Grenzkontrolle in der Regel nur die Zolldokumente an und dort werden diese Abfälle als halbfertige Produkte angegeben. In den letzten drei Jahren wurden nur 16 Transporte mit Abfällen von künstlichen Produkten, zehn mit abgelaufenen Farben und Lacken, sechs mit chemischen Substanzen und drei mit Lederresten an der Grenze zurückgewiesen.

Mehreren tausend Lastwagen, deren Zolldokumente an der Grenze kontrolliert wurden, gelang es jedoch, die schädlichen Substanzen nach Polen zu transportieren. Dazu kommen noch Tausende Tonnen von Abfall, die von den in Polen ansässigen Firmen produziert werden. Der größte Teil davon wird nicht einmal vergraben. Die Fässer und Behälter stehen einfach in den Schrebergärten (sogar im Zentrum von Großstädten wie z.B. in Lodz ), im Hof oder auf einer Wiese herum.

Eine Kontrolle der Obersten Kontrollkammer (NIK) ergab, dass 80 Prozent der Gemeinden keinerlei Informationen über die Menge und die Art der toxischen Abfälle auf ihren Müllkippen besitzen und seit wann sie dort gelagert werden.

Die Importeure bezahlen 500 bis 2 000 Zloty (etwa 125 bis 500 Euro) für eine Genehmigung der Lagerung von schädlichem Abfall in einem privaten Schrebergarten oder einem landwirtschaftlichen Betrieb. Von der schädlichen Wirkung des Abfalls erfahren die Eigentümer oft erst dann, wenn die Fässer und Behälter Risse bekommen und der Inhalt nach außen dringt. (...)

Der Abfall darf legal in unterirdischen Behältern aus Stahlbeton gelagert werden (in Polen gibt es 350 solche Behälter). Sie werden jedoch nicht bewacht und in vielen Fällen nicht einmal verschlossen. Jeder kann also dort auch andere toxische Substanzen lagern. (...) In der Nähe der Ortschaft Krzywonosie bei Mlawa ist solch ein Behälter von Wiesen umgeben, auf denen Kühe weiden. In der Nähe befindet sich auch eine Straße, über die Landwirte die Milch zur Molkerei bringen. Es gibt nicht einmal einen Zaun. In dem (...) Ort Pokrzywowo wurde ein illegaler Behälter für Sondermüll gefunden, der bereits seit fast zehn Jahren benutzt wurde. Kurz vor der Schließung dieses Behälters stellten Unbekannte Gefäße mit einem gefährlichen Insektenmittel dazu.

Die Gesetze über die Herstellung und Lagerung von gefährlichen Substanzen werden aber nicht nur von Firmen in Polen oder von Personen, die den Abfall aus dem Ausland bringen, verletzt. Dazu gehören auch die größten einheimischen Betriebe. Eine Kontrolle der Obersten Kontrollkammer ergab, dass die Firma Orlen aus Plock einen Teil ihres gefährlichen Abfalls an die Abnehmer weitergab, ohne die Menge überhaupt festzuhalten, die in einem Jahr erzeugt wurde. (...) Eine Geldstrafe sollte die Firma Chlodnie Kominowe in Gliwice (Gleiwitz) bezahlen, weil sie Asbestabfall illegal auf einem Gründstück einer ehemaligen Ziegelei lagerte. Diese Strafe wurde jedoch aufgehoben. Solche Nachsicht gehört nicht zu den Ausnahmen in unserem Lande, sondern sie ist eher die Regel.

Während der Verhandlungen mit der EU hat Polen auf die zweijährige Übergangsphase zur Vorbereitung von Plänen in Bezug auf die Beseitigung gefährlicher Abfälle nach EU-Normen verzichtet. Man berief sich auf das bereits bestehende polnische Programm zur Beseitigung von Sondermüll. In Brüssel ist man davon überzeugt, dass Polen über ein Netz von Betrieben verfügt, die den Sonderabfall beseitigen. Das stimmt jedoch nicht. Das polnische Programm bedeutet die Zustimmung zu einem unkontrollierten Müllimport. Im Endeffekt werden weitere Tausende illegale Mülldeponien entstehen.

Die Menge der in Polen gelagerten gefährlichen Abfälle entspricht der Zahl der Institutionen, die sich mit diesem Problem befassen. Neben dem Umweltschutzministerium gibt es noch die Hauptbehörde für den Umweltschutz mit Niederlassungen, die Stiftungen für den Umweltschutz bei den Woiwoden, das Institut für den Umweltschutz, das Institut zum Schutz der Pflanzen, das Institut für Abfallwirtschaft und die Abteilungen für Umweltschutz bei den Woiwodschafts- und Kreisämtern. Über Befugnisse auf diesem Gebiet verfügen aber auch die Gemeindeämter, die Polizei, der Grenzschutz und die Zollämter.

Es gibt zwar sehr viele entsprechende Institutionen, aber sie tun nichts, um den Import von gefährlichem Abfall zu stoppen und die bereits bestehenden illegalen Deponien zu schließen. "Niemand weiß genau, welchen Unterschied es zwischen diesen Behörden gibt und warum es mehrere statt einer oder zwei geben muss. Vielleicht sind sie aber deswegen ineffektiv, weil es zu viele gibt", bemerkt Schatzminister Wieslaw Kaczmarek. (Sta)