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Polit-Poker in Brüssel um EU-Verfassung

Bernd Riegert, Brüssel17. Oktober 2003

Die Staats- und Regierungschefs der EU sind in Brüssel zu weiteren Verhandlungen über die EU-Verfassung zusammengekommen. Einigkeit über dieses wichtige Dokument ist noch lange nicht in Sicht. Wer pokert am besten?

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Der politische Wind in Brüssel weht selten nur aus einer RichtungBild: AP

Zu Beginn ihrer Verhandlungen über die künftige Verfassung gaben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) am Donnerstag (16.10.2003) zuversichtlich. Beim Betreten des Ratsgebäudes in Brüssel sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder: "Heute geht es einmal um die Wachstumsinitiative, wo ich wenige Probleme erwarte, aber der Verfassungsvertrag wird sicher noch nicht abgeschlossen werden können."

Mit einem Abschluss rechnet ernsthaft niemand, denn die Positionen zu den zentralen Fragen bei der Neuregelung der europäischen Institutionen sind seit dem Auftakt der Regierungskonferenz in Rom im September 2003 unverändert. Auch für diesen Gipfel ist nur ein Austausch von Meinungen vorgesehen, so Vertreter der italienischen Ratspräsidentschaft. Konkrete Kompromissvorschläge wurden nicht vorbereitet.

Schüssels Bedenken

Spanien und Portugal beharren auf der heutigen, für sie günstigen Stimmengewichtung bei Abstimmungen in den Ministerräten. Deutschland, Frankreich und Italien wollen die doppelte Mehrheit durchsetzen, die der Verfassungsentwurf vorsieht. Die Mehrheit der Staaten sollte künftig mit Ja Stimmen und diese Staaten müssten 60 Prozent der Bevölkerung darstellen.

Die Mehrheit der kleinen Staaten, angeführt von Österreich und Finnland verlangen eine 25-köpfige EU-Kommission mit einem stimmberechtigten Kommissar pro Land. Die Verfassung sieht nur noch 15 Kommissare vor. Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagte: "Aufgaben gibt es genug. Ich finde Kommissare sollten für ihr Geld auch etwas arbeiten und sollten abstimmen können."

Bundesaußenminister Joschka Fischer deutete nach der vorigen Verhandlungsrunde in Luxemburg Mitte Oktober 2003 an, sollten sich die Kleinen quer stellen, könnten die großen Länder zwei oder gar drei Kommissare für sich verlangen.

Kräftiges Austeilen

Hinter den Kulissen und in Interviews wird derweil ausgeteilt. Der luxemburgische Premierminister Claude Juncker warf Deutschland vor, nicht mehr wie bisher Anwalt der kleineren Länder in der EU zu sein. Juncker kritisierte vor allem, dass Frankreich und Deutschland auf einer Ratspräsidentschaft bestehen, die zweieinhalb Jahre dauert. Die kleinen Staaten wollen die halbjährliche Rotation beibehalten.

Chirac als Vertreter Deutschlands

Schröder und Chirac begrüßen sich
Jacques Chirac (links) und Gerhard SchröderBild: AP

Am Freitag (17.10.2003) lässt sich die Bundesregierung beim Gipfel durch den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac vertreten. Eine Neuerung, die auf geteiltes Echo stieß und besonders von den kleinen Staaten als Blockbildung gebrandmarkt wird. Fischer wischte diese Bedenken jedoch beiseite mit den Worten: "Ich glaube, Sie bewerten das einerseits richtig, dass es etwas Neues ist. Andererseits bewerten Sie es auch über. Selbstverständlich ist das alles eng abgesprochen und wir müssen morgen alle im Bundestag sein." Schröder und Fischer müssen wegen der knappen Mehrheit der Regierungskoalition als Abgeordnete des Deutschen Bundestags über die Sozialreformen im Bundestag mit abstimmen.

Streit ums Geld

Die Staats- und Regierungschefs werden in Brüssel erneut eine Wachstumsinitiative für die europäische Wirtschaft verabschieden. Dazu liegen mehrere Vorschläge auf dem Tisch, die vor allem auf Verkehrsprojekte und auf Forschung und Bildung setzen. Umstritten ist die Finanzierung dieser milliardenschweren Projekte. Deutschland lehnt eine weitere Belastung durch höhere EU-Umlagen ab.