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Politik, Buddhismus und Touristen

Nina Ritter6. März 2009

Auf der indischen Seite des Himalaya liegt Dharamsala, die Hauptstadt der Exiltibeter und ihres Oberhauptes, des Dalai Lama. Seit 50 Jahren versucht die Exilregierung von hier aus, die Geschicke ihres Landes zu lenken.

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Junge Mönche in DharamsalaBild: AP

Auf den Dächern von Dharamsala wehen Gebetsfahnen und tibetische Nationalflaggen. Hinter der schneebedeckten Dhauladhar-Kette beginnt Tibet, die Heimat der rund 140.000 Tibeter, die heute im Exil leben. Zusammen mit ihrem Oberhaupt, dem Dalai Lama, waren sie 1959 vor der chinesischen Besatzung geflüchtet. Dharamsala, ihre Exilhauptstadt, liegt in den grünen Hügeln des indischen Bundesstaats Himachal Pradesh. Hier hat der Dalai Lama seinen Traum von einem modernen Staat in Miniatur verwirklicht. Denn die Tibeter dürfen sich innerhalb der Gesetze Indiens selbst verwalten und wählen eine eigene Exilregierung.

„Free Tibet“ als Lebensinhalt

Schminken für Frieden in Tibet
Schminken gegen China: Demonstrant im März 2008Bild: AP

Frauen mit traditionellen Wickelkleidern und Jugendliche mit modisch gestylten Haaren laufen die engen Gassen hinunter. Viele tragen T-Shirts mit einer Tibet-Flagge oder der Aufschrift "Free Tibet". Dharamsala ist ein hochpolitischer Ort. Die Mauern sind gepflastert mit Aufrufen zu Demonstrationen und Veranstaltungen zur Tibet-Frage. Im letzten Jahr, während der schweren Unruhen in Tibet selbst, blieben in Dharamsala wochenlang die Geschäfte zu. Täglich zogen Tibeter durch die Straßen. Sie protestierten gegen die Unterdrückung der Demonstrationen in Tibet und gegen die Olympischen Spiele in Peking. "Wir haben Tibet auf die internationale Agenda gebracht. Die ganze Welt weiß heute, dass Tibet unter chinesischer Kolonialherrschaft steht," sagt Tenzin Tsundue, ein bekannter politischer Aktivist.

Gegen Frust hilft Abwandern oder Beten

Tibet Dalai Lama während einer Pressekonferenz in Dharamsala, Indien
Touristen kommen seinetwegenBild: AP

Selbst nach 50 Jahren im Exil kämpfen die Tibeter unermüdlich um ihr Heimatland. Doch unterschwellig macht sich mehr und mehr Frust breit. Denn ausrichten können sie gegen den mächtigen Gegner China kaum etwas. Auch haben in Dharamsala so manche mit ihrem Lebensunterhalt zu kämpfen. Jobs sind rar hier. "Viele wollen weg," sagt Tenzin Rigdrol, der eine kleine Bäckerei betreibt. "Sie haben das Gefühl, es gibt keine Hoffnung." Zahlreiche junge Leute versuchen, irgendwie in den Westen zu kommen. Vielen bietet der Buddhismus Trost. Dharamsala ist auch das spirituelle Zentrum der Exiltibeter. Jeden Abend umrunden Alt und Jung den Tempel des Dalai Lama und drehen dabei die Gebetsmühlen in der Wand für eine gute Wiedergeburt. Es gibt kaum einen Ort auf der Welt, an dem sich so viele buddhistische Klöster auf einem Fleck befinden wie hier. Und auch der Dalai Lama gibt regelmäßig öffentliche Unterweisungen.

Viel Hilfe von Außen

Dharamsala Exilhauptstadt der Tibeter
DharamsalaBild: DW / Nina Ritter

Die Nähe zum Dalai Lama und das Flair von Tibet ziehen Besucher aus aller Welt an. Das kleine Städtchen lebt hauptsächlich vom Tourismus. In den engen Gassen reihen sich Hotels, Restaurants und Geschäfte mit Kleidung, Schmuck und Esoterik-Zubehör aneinander. Ohne Hilfe von außen könnte Dharamsala kaum überleben. Viele verschiedene soziale und politische Projekte werben um Spenden und freiwillige Helfer - die ganze Palette ist vertreten: Umweltschutz, Armutsbekämpfung, Gesundheit, Bildung und natürlich politische Lobbyarbeit für den Kampf der Tibeter um ihre Heimat.

Die Neuen aus Tibet

Tibeter in Indien Streik wegen Olympia
Fast nirgends gibt es so viele buddhistische KlösterBild: AP

Die Bildungsangebote nehmen besonders die Neuankömmlinge aus Tibet wahr. Seit der Öffnung Chinas in den achtziger Jahren kommen wieder viele, vor allem junge Leute, aus Tibet nach Dharamsala. Sie wollen den Dalai Lama sehen und Englisch lernen.

"Jeden Tag gingen wir auf ‚Ausländerjagd’ bei der Bibliothek. Denn wir wollten unser Englisch verbessern,“ erzählt Wangyal aus den tibetischen Siedlungsgebieten in der heutigen Provinz Qinghai von seinen ersten Jahren in Dharamshala. Die alteingesessenen Flüchtlinge begegnen den Neuankömmlingen mit Vorurteilen, weil diese in der Volksrepublik aufgewachsen sind. Konflikte entstehen auch immer wieder zwischen tibetischen und einheimischen indischen Jugendlichen, die sich von den Flüchtlingen verdrängt fühlen. Streit gibt es in der Tibetergemeinschaft auch über das politische Ziel für die Zukunft Tibets: Autonomie innerhalb Chinas - wie der Dalai Lama als Kompromiss vorschlägt; oder Unabhängigkeit - wie es vor allem junge Tibeter fordern. Dass sich die chinesische Regierung in der Tibetfrage sehr bald bewegen wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Eine Rückkehr der Exiltibeter in ihre Heimat ist vorerst nicht in Sicht.