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Politik der Einzelinteressen

Alexander Scheibe22. März 2003

Deutschland, Frankreich und Belgien wollen die gemeinsame EU-Verteidigungspolitik ausbauen. Diese Ankündigung unterstreicht aber eher die Uneinigkeit beim EU-Frühjahrstreffen, meint Alexander Scheibe.

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Der zweite Golf-Krieg hatte schon vor Beginn sein erstes Opfer: Die Europäische Union. Denn seit dem Krieg zieht sich ein breiter Riss, fast schon ein Graben, durch Europa. Deshalb machte Gerhard Schröder auch halbwegs gute Miene zum bösen Spiel. Der deutsche Kanzler lief mit saurem Gesicht durch die Gänge. Und der Graben innerhalb der Europäischen Union ist nach dem Gipfel genauso groß wie davor: Die Gemeinschaft steckt in einer tiefen Krise.

Diese Krise zeigt ein weiteres Mal das Grunddilemma der Europäischen Union: Es gibt keine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik. Schon Henry Kissinger hatte als amerikanischer Außenminister eine Telefonnummer in Europa angemahnt, die er im Krisenfall anrufen könne. Doch bislang ist nichts geschehen. Und so ertönt aus Brüssel immer wieder eine Kakophonie, statt eines Solos. So geschehen auch in der aktuellen Irak-Krise.

Schuld daran hat zu einem großen Teil auch der deutsche Kanzler. Gerhard Schröder hatte im vergangenen Herbst im Wahlkampf sein kategorisches Nein zu einem bevorstehenden Irak-Krieg zementiert. Das Nein auch im Falle einer UN-Resolution gelten. Vor einem halben Jahr hat ihm das zwar die Wiederwahl gebracht, außenpolitisch und europäisch gesehen war es ein unkluger Schritt. Frankreich hat sich schnell mit Deutschland verbündet und mit seiner schärfsten Waffe gedroht, einem Veto im Weltsicherheitsrat.

Schuld hat auf der anderen Seite auch Tony Blair. Der britische Premier hat sich frühzeitig auf die Seite der US-Amerikaner geschlagen. Er unterstütze George W. Bush so bedingslos, dass er im eigenen Land schon als Schoßhund von Bush verunglimpft wurde. Blair und der spanische Premier Jose Aznar gelten als Ziehväter des so genannten Achter-Papiers. Darin bezogen Mitgliedländer und Beitrittskandidaten öffentlich Position für einen Waffengang. Und wieder einmal geschah dies ohne jede Abstimmung. Europa wusste vorher nichts von den Plänen der jeweiligen Lagern.

Und diese Politik der Einzelinteressen setzt sich hier in Brüssel fort. Entgegen aller Beteuerungen zu einem gemeinsamen Handeln hat der belgische Premier Guy Verhofstadt, Deutschland und Frankreich zu einem Dreiergipfel eingeladen. Im April wollen die drei eine engere Zusammenarbeit bei der Verteidigungspolitik erkunden. Unschwer vorherzusagen, dass es im Fall eines Dreier-Treffens zu einem Aufschrei in der restlichen Union kommt.

Dies alles in einer Zeit, in der die EU um zehn Mitglieder wachsen will. Da ist jetzt schon absehbar, dass die Probleme nicht geringer, sondern im Gegenteil größer werden. Deshalb kommt dem EU-Konvent nun eine noch größere Rolle zu. Denn in einer künftigen EU-Verfassung muss die Position und der Aufgabenbereich eines europäischen Außenministers klar definiert sein.