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Politik direkt Forum vom 01. 07. 2010

8. Juli 2010

„Soll der Bundespräsident vom Volk gewählt werden?"

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Christian Wulff bei der Verkündigung des Ergebnisses des 1. WahlgangsBild: AP

Informationen zum Thema:

Operation Präsidentschaft - Zitterpartie für die Kanzlerin

Angela Merkel hatte sich für Christian Wulff stark gemacht. Doch die geplante Demonstration von schwarz-gelber Einigkeit wurde für sie zur Zitterpartie. Etliche Wahlfrauen und -männer ihrer Koalition stimmten für den Kandidaten des politischen Gegners.

Unsere Frage lautete:

„Soll der Bundespräsident vom Volk gewählt werden?"

Antworten unserer Zuschauer:

Sophie Verheyn, Deutschland:

„Ich denke nicht, dass der Bundespräsident vom Volk gewählt werden sollte. Der Bundespräsident hat hauptsächlich repräsentative Funktionen. Eine solch basisdemokratische Legitimation würde die Kräfteverhältnisse zwischen Bundesregierung und Bundespräsidenten durcheinander bringen und viel Unruhe stiften. Besser wäre es, nur Kandidaten zuzulassen, die keine direkte Parteienzugehörigkeit haben.“

Naveen Mathew Thomas, Indien:

„Alle politischen Posten müssen demokratisch voll legitimiert sein. Es kann nicht sein, dass der Bundespräsident nicht direkt vom Volk gewählt wird. In Indien ist das leider so ähnlich. Es ist an der Zeit, dass sich das ändert, unabhängig davon, ob der Politiker nur repräsentative Funktionen hat.“

René Junghans, Brasilien:

"Selbstverständlich sollte der Präsident vom Volk gewählt werden, denn nur so kann man von demokratischer Wahl reden. Selbst wenn der Präsident in Deutschland nur eine repräsentative Stellung einnimmt, ist er doch der Vertreter des Volkes im höchsten Amt des Landes. Viele Abgeordnete, obwohl vom Volk gewählt, vertreten doch überhaupt nicht mehr die Erwartungen ihrer Wähler, folglich sollten sie auch nicht im 'Namen des Volkes' bestimmen, wer ihr Präsident wird. Ob ein Kandidat zum Präsidenten vom Volk gestützt wird, kann man nur durch direkte Wahlen feststellen. In Brasilien wird der Präsident vom Volk gewählt. Dieses Jahr sind hier Präsidentenwahlen und alle Kandidaten machen bereits Werbung - und das finde ich sehr gut so, denn das Volk wird entscheiden, wer der nächste Präsident Brasiliens wird. Es ist also nicht verwunderlich, dass Präsident Lula bei Umfragen oft über 80 Prozent Zustimmung des Volkes bekommt. Ich wünsche dem neuen Präsidenten viel Erfolg und vor allem viel Glück, um mit einem zerstrittenen Bundestag einigermaßen gut zurecht zu kommen. Er wird viel Fingerspitzengefühl benötigen!"

Helge Weyland, Argentinien:

"Wenn der Bundespräsident vom Volk gewählt werden soll, müsste für die Kandidaten die Mittel für den Wahlkampf in allen Bundesländern sicher gestellt sein, wenn dieser nicht von den Parteien aufgestellt werden soll. Da sicher kein Kandidat bereits sein würde, bei den Kompetenzen die der Bundespräsident hat, Mittel hierfür aufzuwenden.

Oder: Die Parteien, Gewerkschaften, Verbände aus dem Bund oder Ländern sind bereit solche Kosten zu übernehmen. Da dieses alles sicher nicht der Fall sein wird, würde es wohl bei dem jetzigen bewährten System bleiben."

Juei-min Huang, Taiwan:

"Angela Merkel hat offensichtlich zu ihrem politischen Zweck die Wahl des Bundespräsidenten missbraucht. Dies zeigt, dass es an der Zeit ist, die Direktwahl des Bundespräsidenten einzuführen. Die Verfassungsväter hatten vielleicht recht, als sie sich angesichts der Weimarer Erfahrungen für die Präsidentenwahl in der jetzigen Form entschieden. Aber das deutsche Volk ist mündiger geworden und das Land braucht nicht mehr im alten Korsett zu leben. Schließlich haben die Österreicher schon bewiesen, dass eine Direktwahl nicht unbedingt mit einem omnipotenten Präsidenten assoziiert werden muss."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Obwohl die Wahl ein ziemliches Trauerspiel war, sagte Christian Wulff vor der Vereidigung in einem DW-Interview (englische Seite), dass er nie an seinem Sieg gezweifelt hätte und dass sich hier die Demokratie bewiesen hätte. Wo bitte hat sich in diesem Fall die Demokratie bewiesen? Er verdankt seine Wahl seinen Politiker-Kollegen, meist aus den eigenen Reihen und ihm muss doch wohl bekannt sein, dass der größte Teil des Volkes ihn nicht als Präsidenten wollte. Eigentlich ein sicheres Zeichen, dass der Präsident vom Volk gewählt werden sollte, das wäre demokratischer und könnte eher als Demokratie-Beweis gewertet werden. Dieses Wahlverfahren wurde gewiss von den Politikern eingeführt, damit sie möglichst immer einen der ihren als Präsidenten haben. Sie werden bestimmt alle Register ziehen, um eine Änderung dieses Wahlsystems zu verhindern."

Martin Burmeister, Venezuela:

"Nein! Wenn der Bundespräsident vom Volk gewählt werden sollte, würde dies einen weiteren Streit zwischen den Parteien bedeuten. Der Bundespräsident hat keine politischen Befugnisse, weshalb die Überparteilichkeit des Kandidaten bei einer Wahl vom Volk nicht gewährleistet werden kann."

Hugo Zimmermann, Thailand:

„Grundsätzlich sollte der Bundespräsident (…) von der Bevölkerung gewählt werden. Aber mit der Politikverdrossenheit (hervorgerufen durch, d. Red.) desolate, ja dilettantische Bundespolitik, einen (…) Bundespräsidenten ohne Macht und Einfluss zu wählen, würde kaum das Volk mobilisieren.“

Die Redaktion von ‚Politik direkt’ behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen.