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Politik direkt Forum vom 04. 02. 2010

11. Februar 2010

„Darf der Staat mit Dieben handeln?"

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Bild: picture-alliance / dpa

Informationen zum Thema:

Bankdaten - soll der Staat Informationen über Steuerbetrüger kaufen?

Soll der deutsche Staat illegal beschaffte Informationen über mutmaßlich 1500 Steuerbetrüger kaufen oder nicht? Die Kanzlerin und viele andere Politiker bejahen diese Frage. Doch viele Juristen und auch Oppositionspolitiker sind dagegen. Deutschland sind von einem Händler Informationen über Steuersünder angeboten, Kostenpunkt 2,5 Millionen Euro. Doch diese Daten könnten dem Staat 100 Millionen Euro einbringen, von Deutschen, die ihr Geld in der Schweiz verstecken. Zwar steht das Land nicht mehr auf der schwarzen Liste der Steueroasen. Aber bis zum heutigen Tage kooperiert die Schweiz nur unzureichend mit den deutschen Behörden.

Unsere Frage lautet:

„Darf der Staat mit Dieben handeln?"

Antworten unserer Zuschauer:

Herbert Fuchs, Finnland:

„Der Staat holt immer seine Kohle, egal, wer das auch immer ist. Auch mit Gewalt, wenn es sein muss. Und hier bei Steuerflüchtlingen gibt es keine Gnade oder Einschränkungen. Wer das Geschäft anbahnt, ist völlig Nebensache. § 1: Vater Staat hat Recht. § 2: Sollte der Vater Staat unrecht haben, tritt § 1 in Kraft.“

Khalid Hadi, Irak:

"(…) Im Arabischen werden Steuerflüchtlinge mit vielen unterschiedlichen Adjektiven beschrieben. Von daher finde ich Ihre Fragestellung, ob der Staat mit solchen Leuten Geschäfte machen darf, amüsant und gut. Die Steuerflüchtigen sollten wissen, dass das Gesetz zur sozialen Ordnung erlassen wird. Durch seine Einhaltung wird das Leben von Einzelnen und der Gruppe geregelt. Wer das Gesetz bricht, soll entsprechend bestraft werden. Das Gesetz beschreibt Rechte und Pflichten. Es setzt den Freiheiten bestimmte Grenzen, denn ohne diese Grenzen gäbe es keine echte Freiheit. Wie also mit den Gesetzesbrechern auch außerhalb Deutschlands umgehen? (…) Sie müssen gestoppt und abgeschreckt werden vor weiteren Taten!“

Werner Bull, Argentinien:

„Ein Rechtsstaat darf auf keinen Fall solche Geschäfte machen. Frau Merkel kann

aufgrund ihrer Herkunft natürlich kein Rechtsbewusstsein haben, hat sie doch Jahrzehnte in einem Unrechtsstaat gelebt. Außerdem hat die CDU schon immer ein unklares Verhältnis zum Thema Geld gehabt: siehe Kohl (Spendenaffäre) und Schäuble.“

Margot Klatt, Schweden:

"Natürlich darf der Staat es machen. Die Polizei tut es ja auch. (…) Friedrich Dürrenmatt drückte sich über die Schweiz so aus: ‚Heute erinnert der Versuch ewig neutral zu bleiben, an eine Jungfrau, die in einem Puff zwar Geld verdienen, aber auch keusch bleiben will.’ Heute können wir noch dazu legen, so auch für knackige Armleuchter, die gleiche Regel. Da kann nicht einmal Österreich mit dem ‚Salzkammergut, da kann man gut lustig sein’, konkurrieren."

Karl Wolfgang Keymer, Argentinien:

„Seit Tagen verfolge ich mit Unbehagen die Debatten in Nachrichten, Fernsehen und Presse über den Ankauf der gestohlenen Daten von mutmaßlichen deutschen Steuersündern und deren Schweizer Konten. Findige Juristen haben dafür eine legale Rechtfertigung gefunden und breite Schichten der Bevölkerung begrüßen mit hämischer Schadenfreunde den Angriff auf die ‚Reichen’. Für den Rechtsstaat Deutschland ist der Ankauf des Diebesgutes nichtsdestoweniger eine ethisch-moralische Niederlage, unabhängig vom Kosten-Nutzenverhältnis. Irgendetwas ist doch an der Steuergesetzgebung nicht in Ordnung, wenn sich auf der einen Seite gerade Deutsche – im Gegensatz zu vielen anderen zivilisierten Ländern – in hohem Maße ihrer Steuerpflicht entziehen und andererseits der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, seine eigenen Gesetze ohne Hilfe Dritter durchzusetzen. Ist es nicht eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes – nach Liechtenstein jetzt die Schweiz – wenn der deutsche Staat, der ständig das Wort Datenschutz ins Feld führt, verlangt, dass andere Länder möglichst uneingeschränkten Einblick in ihre Bücher gewähren? Sind die Bundesrepublik und ihre Steuerfahnder nicht in der Lage, der Steuerkriminalität im eigenen Land nachzugehen? Welche mittelfristigen Konsequenzen sind eigentlich aus der Entscheidung für den Kauf der Diskette zu befürchten? Es ist ja wohl schon von einem weiteren ‚Angebot’ die Rede. Es wird nicht das letzte sein.“

Wulf Weyland, Argentinien:

„Der Dieb von Dieben, die dem deutschen Staat ihre Steuern unterschlagen haben, muss vom deutschen Staat dafür eine Belohnung erhalten, wenn er die Daten weiterleitet, auch wenn er dieses umsonst täte. Aber die Schweiz hat das gleiche Recht ihm gegenüber, wie der deutsche Staat seinen Bürgen gegenüber, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn durch zwischenstaatliche Verhandlungen kein Ergebnis zu erzielen ist, ist das die einzige Lösung.“

Erich Prinz, Thailand:

„Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich finde das voll in Ordnung! Wer sein Geld ordnungsgemäß verdient und auch versteuert hat, der braucht sowieso keine Angst zu haben. Es geht da sozusagen nur um die, die ihr Geld illegal verstecken.“

Johannes Ochsebierg, Luxemburg:

„Es gibt keinen größeren Verbrecher als den Staat (…). Insofern lautet die Frage keineswegs ‚Darf der Staat’ sondern ‚Wie lange kann der Staat noch’, bevor das Volk letzteren ganz einfach aus den Socken haut!“

Radina Doneva, Bulgarien:

„Meiner Meinung nach ist das Ganze nur ein Bluff. (…) Die Strategie der Regierung ist, den Steuerhinterziehern Angst zu machen, um an deren Geld zu kommen. Am Ende werden die Halunken vor Gericht gegen den ‚unangemessenen Angriff’ des Staates vorgehen.“

Carmen Salvatore Curasi, USA:

„Die Bundesregierung sollte ruhig weiter kaufen. Kleinere Nachbarländer sitzen mit den Dieben und Steuerhinterziehern auch am selben Tisch und haben dabei zu Lasten anderer ihre eigenen Länder bereichert. Fakt ist: Die Welt wird immer kleiner, und die Zeit ist leider gekommen, laut an die Tür zu klopfen.“

Ramiro Montañez, Argentinien:

„Vielleicht sind in dem geschilderten Fall die Dateien illegal beschafft worden. Aber ich finde es nicht unmoralisch, denn es ist zum Wohle aller deutschen Staatsbürger geschehen. Eigentlich ist die Schweiz ein respektables Land. Aber es ist eine Schande, dass die Schweizer Banken reich werden mit dem Geld korrupter Personen und Staaten (wie meinem).“

Waltraud Maassen, Neuseeland:

„Wenn man es genau nimmt: ‚Diebe unter Dieben’ (Konnte mir das nicht verkneifen.) Daten werden heutzutage aus jedem Lebensbereich angeboten und auch gekauft. Das fängt bei E-Mails an und geht bis zu Daten von Verbrechern. Und Steuersünder sind Verbrecher. Ich habe kein Problem mit dem Ankauf der Daten. Außerdem kann sich jeder Steuerhinterzieher ja selbst anzeigen. Damit wäre der Gerechtigkeit Genüge getan!“

Charles Smyth, Großbritannien:

„Dass Regierungen Deals mit Kriminellen machen, ist nichts Neues. Aber Deutschland sollte sich überlegen, ob es nicht besser ist, sein Steuersystem radikal umzubauen, damit Steuerflüchtlinge motiviert werden, ihr Geld in Deutschland anzulegen.“

Hannelore Krause, Deutschland:

"Ich stehe der Sache zwar sehr skeptisch gegenüber, weil ich der Meinung bin, dass illegal beschaffte Daten von Steuersündern - sprich: gestohlene Daten - keine Grundlage bieten sollten für einen Ankauf, weil das ein Verstoß gegen das Völkerrecht ist (…). In Zeiten leerer Kassen käme so ein Geldsegen wie gerufen. Dass Bürger - nicht nur aus Deutschland - ihr Geld am Fiskus vorbeischmuggeln, um es in Steueroasen zu parken, ist (…) ‚uralte’ Tradition. Wollte man allerdings Gerechtigkeit walten lassen gegenüber jenen Bürgern, die brav ihre Steuern zahlen und bei Unpünktlichkeit auch noch mit Versäumniszuschlägen belegt werden, dann sollten die Sünder schon bestraft werden. Aber vielleicht kann man dieses Problem auch auf eine andere Art lösen. Auch Polizei und Justiz (machen Geldangebote, um Verbrechen aufzuklären, d. Red.). (…) Vielleicht haben ja sogenannte ‚Spitzel’ zukünftig Hochkonjunktur beim Herstellen von Dateien (…), die sie dann gewinnbringend weiterverkaufen können. Das lässt sich beliebig fortsetzen."

Erwin Scholz, Costa Rica:

„Leute flüchten vor der Steuer,

wenn der Staat ihnen zu teuer.

Wenn er Schulden häuft und sammelt,

ist er gleicherweis’ vergammelt.“

René Junghans, Brasilien:

„Ja natürlich darf der Staat über den Kauf von Daten über Steuerhinterzieher handeln. Es ist allerdings etwas krass ausgedrückt, jemanden der solche Daten anbietet, als Dieb zu bezeichnen. Jeder, der dazu beiträgt, illegale Geschäfte oder Betrügereien aufzudecken, handelt im Sinne des Rechtsstaates, dessen Aufgabe es ist, Gesetzesbrecher zu entlarven. Dazu gehören Steuerbetrüger. Warum soll Otto Normalverdiener Steuern zahlen, aber Millionäre, die ihren Hals nicht voll genug bekommen können, dürfen Steuern hinterziehen und gehen danach straffrei aus? Wenn jemand Zugang zu Bankdaten hat, diese zu eigenen Zwecken missbraucht, um sich zu bereichern, ist er ein Dieb. Wenn dieser Mensch aber diese Daten an die Staatsanwaltschaft weiterreicht, um Betrügereien aufzudecken, dann ist er ein Ehrenmann, oder eben ein Informant. Dass er dafür belohnt wird, ist doch nur gut und recht, schließlich werden auf Schwerverbrecher oft auch Belohnungen ausgesetzt und wenn man diese Verbrecher sieht und die Polizei informiert und diese Information zur Verhaftung des oder der Gesuchten führt, danach die versprochene Prämie ausgezahlt wird, ist der Informant doch kein Dieb, sondern wird als Ehrenmann hoch angesehen, oder etwa nicht? Der Staat könnte z.B. von vornherein eine Prämie von sagen wir mal 10% bieten, für Informationen, die zur Rückerstattung von Steuerhinterziehungen führt. Es würden sicher hunderte Milliarden Euro in die Finanzkassen fließen. Noch ein Beispiel: Wenn jemand eine Bank ausraubt, die Bank auf die Erfassung der Täter eine Belohnung anbietet und diese auch auszahlt, handelt die Bank dann mit einem Ehrenmann, oder handelt sie mit einem Dieb?“

Jak Buhler, Kanada:

„Ich denke, auch Steuerhinterziehung ist nicht in Ordnung, aber auch Schwarzarbeit des kleinen Mannes ist Steuerhinterziehung. Wenn aber ein Staat sich der Hehlerei (schuldig macht, d. Red,) und wahrscheinlich auch mit Anstiftung zur Hehlerei durch große Geldangebote, dann gibt es für mich kein Deutschland mehr, sondern nur noch ein Schurkenstaat (…). Ich glaube auch, dass dieses Vorgehen (schwerwiegende, d. Red.) Folgen hat. Es könnte ja auch eine auf die Idee bringen, technische, medizinische oder religiöse Daten zu kaufen.“

Elisabeth am Rhein, Dominikanische Republik:

„Ich bin der Meinung, dass Deutschland endlich lernen muss, dass andere Länder ihre eigenen Gesetze haben.“

Gerhard Seeger, Philippinen:

„Steuerhinterziehung ist auch eine Art Diebstahl. Hier geht es um sehr viel mehr Geld als 2,5 Millionen. In vielen Ländern ist es schon längst üblich, um an größere Täter zu kommen, sich der Informationen anderer Kriminellen zu bedienen. Ich fände es richtig, wenn Deutschland es wenigstens in Fällen wie diesem auch tun würde. Das Argument, man sende Datendieben eine Nachricht, zieht nicht. Aus dem Internet werden Daten schon fast solange gestohlen, wie es das Netz gibt. Man sollte besser nach der Mitschuld derer, die das illegale Geld verstecken, fragen. Es ist ja nicht so, dass in solchen 'Oasen' genannten Ländern nur hinterzogenes Steuergeld aufgenommen wird. Auch das von Diktaturen, vom organisierten Verbrechen, usw. findet (…) eine sicheren Hafen. Ein Land, das sich jetzt mit am lautestem moralisch entrüstet, begann schon vor etwa 300 Jahren mit dieser Art Bankgeschäft und wurde sehr reich damit. Woher nehmen die jetzt das Recht, sich als Moralapostel aufzuspielen? Ja, ich weiß, die Frage war nur: 'Darf der Staat mit Dieben handeln.' Aber ich glaube, das gehört vollständigkeitshalber dazu. Diese Oasen hatten ja vorher auch keine moralischen Bedenken mit Dieben zu handeln.“

Die Redaktion von ‚Politik direkt’ behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen.