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Politik direkt Forum vom 20. 11. 2008

27. November 2008

"Soll der Staat die Autoindustrie retten?"

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Opelwerk Eisenach (AP Photo/Jens Meyer)Bild: AP

Informationen zum Thema:

Starthilfe mit Steuergeldern - Soll die Bundesregierung den Automobilkonzern Opel retten?

Es wäre eine Katastrophe für das Autoland Deutschland, falls das Traditionsunternehmen Opel in den Strudel der amerikanischen Auto-Krise gerät. Opel hat deshalb eine Milliarden-Bürgschaft vom Staat beantragt, falls die US-Mutter GM in die Insolvenz gehen muss. In der Berliner Koalition scheint die Hilfsbereitschaft groß: Kanzlerin Merkel trifft sich mit der Opel-Spitze, Außenminister Steinmeier mit den Betriebsräten. Schon jetzt fordern die Ministerpräsidenten an den Autostandorten einen finanziellen "Schutzschirm" für die deutsche Automobilindustrie. Einspruch kommt dagegen vom Finanzminister und von Wirtschaftsexperten: Bei staatlichen Bürgschaften drohe ein Fass ohne Boden.

Unsere Frage lautet:

"Soll der Staat die Autoindustrie retten?"

Antworten unserer Zuschauer:

René Junghans, Brasilien:

"In einer freien Marktwirtschaft sollte der Staat nicht in Privatgeschäfte mit unseren Steuergeldern einwirken, sondern sollte sich darauf beschränken, sich um das Wohlergehen der Bevölkerung zu kümmern. Ich gehe mit dem Herrn Finanzminister einig, man sollte der Autoindustrie nicht helfen und das aus einem ganz einfachen Grund: Jeder Unternehmer muss die Risiken seines Geschäfts selbst abwägen und für eventuelle Fehlentscheidungen auch selbst aufkommen. Man will den großen Automarken helfen, aber man sagt kein Wort über die Zulieferanten, alle jene Klein- und Mittelunternehmer, die Opel, VW, BMW, Porsche usw. die Teile liefern, aus denen die Autos zusammengebaut werden. Wenn diese Zulieferanten Pleite gehen, dann sieht das keiner. Das Prinzip, keine Unterstützung aus Steuergeldern zu bieten, gilt auch für Banken und jede andere Industrie- und Handelssparte. Die Regierung hat kein Geld für Rentner, Kranke, Schüler, Arbeitslose, aber für die reichen Unternehmer ist die Regierung schnell bereit, unser Steuergeld zu verteilen. Wenn Otto Normalverdiener sich verspekuliert, dann benimmt sich die Regierung wie die drei Affen: Nichts sehen, nichts sagen und vor allem nichts hören!"

Daniel Krabatsch, Guatemala:

"Warum soll die Bundesrepublik eine Industrie unterstützen, deren Produkt über kurz oder lang ohnehin nicht mehr marktfähig ist. Deutschland proklamiert immer Innovationsmotor zu sein. Also, lasst die obsolete Automobiltechnik sterben und steckt das Geld lieber in die Entwicklung von Transportalternativen die zukunftsorientiert und ökologisch ist."

Christian Hassmann, Indonesien:

"Der Staat kann und soll eingreifen, aber er hat gleichzeitig auch die Chance, lenkend einzugreifen, indem er Auflagen definiert, die da sein können: Null-Liter Auto, Abkoppelung von der Erdölindustrie, intelligente umweltfreundliche Produkte. Diese Vorgangsweise rettet nicht nur die Arbeitsplätze einiger, sondern das Leben aller Menschen."

H. F. Dill, Hongkong:

"Definitiv nein! Wenn einige Autokonzerne sterben, dann wird wahrscheinlich ein Konkurrent die Reste kaufen und das Gros der Arbeitsplätze sichern. Autokonzerne durch den Staat am Leben zu erhalten würde nur Inkompetenz und Missmanagement unterstützen."

Chris Dudfield, Neuseeland:

"Es ist interessant zu beobachten, wie die amerikanischen Autohersteller als vormalige Promoter des unregulierten Unternehmertums jetzt mit Konzepten des Sozialismus um Almosen betteln. Offen gesagt sind es doch Konzern-Dinosaurier, die man aussterben lassen sollte, gemeinsam mit ihren inkompetenten Managern, die diese Konzerne mit ihren exzessiven Gehältern und Boni ausgesaugt haben. Die Situation für Opel stellt sich aber ein wenig anders dar: Opels Probleme haben ihren Ursprung in den USA, wo der Mutterkonzern GM die Bedürfnisse des Marktes schlicht ignoriert hat. Hier sollte die deutsche Regierung schon Opel durch die Krise helfen, allerdings nur, wenn das geliehene Geld mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt wird und kein Geld des deutschen Steuerzahlers zu GM fließt. Wenn die Wirtschaftskrise vorbei ist, werden Europa und Deutschland den Weltmarkt beherrschen. Diese Chance gilt es wahrzunehmen!"

Charles Smyth, Großbritannien:

"Weil Opel Teil von GM ist, kann es gar nicht verhindert werden, dass auf die ein oder andere Weise deutsches Steuergeld in die USA fließt. Darüber hinaus muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Regierung vier bis fünf Jahre lang die Gehälter und Umschulungskosten von 25.000 Opelanern zahlen müsste, ohne eine Garantie zu haben, dass Opel überleben wird. Es macht von daher keinen Sinn für Deutschland, Opel zu retten."

Tran Vo Hoan, Vietnam:

"Der Staat sollte sich raushalten und nicht noch die Steuerzahler belasten - lieber eigene Schulden begleichen - das ist keine Markwirtschaft, sondern Unvernunft! Opel Deutschland sollte käuflich erworben werden - für einen Kaufpreis sind wir offen - das sind Wirtschafts-sachen, die auch der Konzern selbst entscheiden sollte! (...)"

Martin Burmeister, Venezuela:

"Da an der Autoindustrie direkt und indirekt sehr viele Arbeitsplätze hängen, sollte der Staat zeitlich begrenzte Bürgschaften übernehmen, auf der Basis der von der Industrie vorgelegten und durchführbaren Sanierungspläne."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Die Hilfe für die Banken muss als nötige Ausnahme gewertet werden. Aber Opel fragt dort gar nicht, geht gleich zum Staat (Warum wohl?). Opel jetzt Hilfe zu gewähren wäre eine Einladung für andere Unternehmen auch anzuklopfen. Das Fass ohne Boden wäre geöffnet. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Staatshilfe zögert nur den Zeitpunkt des Zusammenbruchs hinaus. Nicht übereilt handeln, und wenn tatsächlich Hilfe gegeben wird, dann nur gegen Sicherheitsgarantien. Die Krise geht von GM aus und überhaupt von den USA. Darum sollte eigentlich da ein Weg gefunden werden, sonst versickert deutsches Steuergeld eventuell dort. Es ist auch wieder ein Beweis, dass das sogenannte "Top-Management" überbewertet ist und nicht so großartig, wie man immer die Öffentlichkeit glauben machen will um die "Gagen" zu rechtfertigen."

Erwin Scholz, Costa Rica:

"'Retten' Unternehmen,
die sich schlecht benehmen,
ergo moribunde,
das geht vor die Hunde."

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