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Politik direkt Forum vom 23. 04. 2009

30. April 2009

"Kann Kurzarbeit Jobs sichern?"

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Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, SPDBild: AP

Informationen zum Thema:

Helfer in der Krise - warum der Staat Arbeitsplätze sichert

In Wahlkampfzeiten wären das die denkbar schlechtesten Nachrichten: In Deutschland steigt die Arbeitslosigkeit rasant. Die große Koalition tut alles, um diesen Schlagzeilen vorzubeugen. Zum Beispiel mit dem Instrument der vom Staat mitfinanzierten Kurzarbeit. Dabei übernimmt die Bundesagentur für Arbeit bis zu 67 Prozent des Nettolohns, derzeit für maximal 18 Monate. Die Vorteile: Die Betriebe müssen ihren Fachkräften nicht kündigen, die sie bei besserer Auftragslage wieder dringend benötigen. Die Kurzarbeiter werden nicht zu Almosenempfängern und können sich auch noch fortbilden. Das deutsche Kurzarbeitermodell ist ziemlich einzigartig, soll nun auch in anderen europäischen Ländern eingesetzt werden. Und auch hier soll es jetzt noch ausgedehnt werden; so will es der SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz. Wir zeigen, woher die Grundidee für das Kurzarbeitergeld kommt, und wie sie funktioniert. Wir porträtieren die "Berliner Glas", einen mittelständischen Betrieb, in dem kurzgearbeitet wird und diskutieren, ob es sinnvoll ist, dass der Staat sich in den Arbeitsmarkt einmischt.

Unsere Frage lautet:

"Kann Kurzarbeit Jobs sichern?"

Jörg Brockmann, Deutschland: |

"Kurzarbeit kann Jobs sichern. Allerdings hängt das immer mit der Art und dem Grund der Anwendung der Kurzarbeit zusammen. In ein paar Betrieben, die ich kenne, sieht es so aus, als dass die Kurzarbeit nur dazu angewendet wird (zusammen mit anderen Maßnahmen), die Bilanzen aufzubessern und den Bonus für das Management zu sichern. Entlassen wird trotzdem. Wenn nur vier Tage pro Monat Kurzarbeit gemacht wird, diese Regelung nicht mal für alle Abteilungen durchgezogen wird und dann nach nicht mal einem Monat Kurzarbeit doch Leute entlassen werden, dann hilft die Kurzarbeit nur dem Unternehmen, aber nicht den Mitarbeitern. Ich vermisse bei den oberen Managern immer noch die Bereitschaft, wirklich für die Unternehmen und die Mitarbeiter zu kämpfen. Es wird der gesamten Wirtschaft nicht helfen, die Mitarbeiter letztendlich doch zu entlassen. Viele werden bereit sein, zu verzichten (Gehalt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld), wenn der Arbeitsplatz dafür erhalten bleibt. Das kann eventuell sogar wieder gut gemacht werden, wenn es dem Unternehmen wieder besser geht (...). Dann wird letztendliche auch die gesamte Wirtschaft davon profitieren. Solange sich aber die Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze sorgen müssen und das trotz Kurzarbeit, dann kommt auch die Wirtschaft nicht wieder in Gang."

Gustaf Woelfle, USA:

"Kann Kurzarbeit Jobs sichern? Nein. Das wäre nur ein Heftpflaster für die Probleme. Und zudem eine Irreführung der Arbeiter in Deutschland."

Erwin Scholz, Costa Rica:

"Subventionen schaffen Chaos

in USA, bei uns, in Laos.

Zahlt ein Staat gar, wenn die Nachfrag' fehlt,

ist's als ob man Bremsbeläge ölt.

Schwer wie's Gebirge Himalaya

erdrückt am End die Schuld Herrn Meier."

Michael Kurt Stanek, Brasilien:

"Ich glaube, Kurzarbeit kann kurzfristig Arbeitsplätze retten. Aber der große Fehler ist, zuerst Regeln der Globalisierung zu verfassen und zu denken, die Märkte regulieren sich selber. Jetzt muss man alles tun, um die Weltwirtschaftskrise abzumildern. Nur keiner weiß so recht, wie. Es ist wie beim Automobil, zuerst wird ein Auto verkauft, aber keiner fragt nach, ob derjenige, der es gekauft hat, auch damit fahren und es sich leisten kann."

Martin Burmeister, Venezuela:

"Leider kann die Kurzarbeit keine Jobs auf Dauer sichern. Die Unterstützung der Regierung bei bedingter Kurzarbeit ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung und kann so den Unternehmern Fachkräfte erhalten, sobald normale Arbeitszeiten im Betrieb wieder vonnöten sind."

Tom Clyde, China:

"Vielleicht hilft Kurzarbeit – kurzfristig – Jobs zu sichern. Aber wenn das dazu führt, dass die Unternehmen ihrer Profite zuliebe die Arbeitszeit ihrer Angestellten mehr und mehr reduzieren, dann kommt das ja fast Entlassungen gleich."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Kurzfristig ist es wohl eine Hilfe und ein Kurzarbeits-Job ist auch besser als keiner. Die Bundesagentur für Arbeit trägt 67 % des Nettolohns. Das ist Steuergeld, das Arbeitnehmer zahlen. Sie finanzieren also ihre Kurzarbeit zum Teil selbst. Dauert die Krise länger, kommt es wahrscheinlich doch zu mehr Entlassungen."

Lee Davis, USA:

"Kurzarbeit funktioniert vielleicht in Deutschland, aber nicht überall. Hier in den USA z.B. müssen die Arbeitgeber die Krankenversicherung ihrer Angestellten bezahlen. Diese Zahlungen müssten bei Kurzarbeit stark reduziert werden, was dazu führt, dass sich die Arbeitnehmer sich gleich einen neuen Job suchen können."

René Junghans, Brasilien:

"Ganz sicher kann Kurzarbeit Jobs sichern. Dass der Staat sich hierbei einmischt, ist sehr löblich, denn die Unternehmer allein können in solch starken Krisenzeiten wie derzeit wohl kaum aus eigener Tasche die Jobs sichern. Die Löhne in Deutschland sind einfach zu hoch, die Gewinnspannen zu niedrig, um auf längere Zeit hin Mitarbeiter zu halten, wenn nicht genug Umsatz gemacht wird, um eine gesunde Gewinnspanne zu gewährleisten. Gäbe es nicht die staatliche Unterstützung, hätte man in Deutschland noch viel mehr Arbeitslose und wohl bald landesweit soziale Unruhen."

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