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Politiker auf Abruf

Daniel Scheschkewitz8. Oktober 2003

In Kalifornien stand mehr zur Wahl, als nur die Muskelkraft von Arnold Schwarzenegger, meint Daniel Scheschkewitz in seinem Kommentar zur Gouverneurswahl am Dienstag (7.10.) in Kalifornien.

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Die letzte Gouverneurswahl in Kalifornien liegt nur ein knappes Jahr zurück. Seitdem hat ein steinreicher Kongressabgeordneter Unterschriften gegen den Amtsinhaber Gray Davis gesammelt. Die Initiative zu seiner Abberufung ist Ausdruck der Unzufriedenheit vieler Menschen in einem Staat, der früher wie ein kein anderer für Aufstiegschancen und den amerikanischen Traum stand.

Inzwischen jedoch ist Kalifornien ein tief verschuldeter, von Energiekrisen gebeutelter Staat, in dem die Politik nichts mehr zu bewegen scheint. Also bedurfte es eines Außenseiters, eines Einwanderers mit Muskelkraft, mit dem zukunftsverheißenden Lächeln des Hollywoodschauspielers. In seinen Filmen macht Arnold Schwarzenegger mit seinen Feinden kurzen Prozess. Zur Not spült er sie einfach die Toilette hinunter - so soll er es nun auch mit Kaliforniens Problemen tun.

Konzeptlos und unmoralisch

Dies ist ein Politikansatz, der ebenso radikal wie populistisch ist. Nur acht Prozent aller Kalifornier halten Arnold Schwarzenegger für den Kandidaten, der die besten Voraussetzungen für das Amt des Gouverneurs mitbringt. Trotzdem steht zu befürchten, dass ihn eine Mehrheit der Kalifornier in genau dieses Amt wählen wird. Einen Schauspieler ohne jegliche politische Erfahrung und ein moralisch fragwürdiger dazu. Davon abgesehen, dass er alles anders machen und Steuern senken will, hat Schwarzenegger kein politisches Konzept.

Der ausgewanderte Österreicher blendet mit den Methoden Hollywoods in einer Mediendemokratie, in der politischer Dialog allzu oft zur einer Seifenoper verkommt. Gnadenloser Populismus anstelle von Sachverstand – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist eben auch in der Politik alles möglich. Aber das Phänomen Schwarzenegger ist damit noch nicht hinreichend erklärt. Sein Anhang rekrutiert sich vor allem aus den Verlierern der Globalisierung, die auch in Kalifornien viele Angehörige der angelsächsischen Mittelklasse Arbeitsplätze und Zukunftschancen gekostet hat. Seine Anhängerschar ist in ihrer Mehrheit weiß, schlecht ausgebildet und männlichen Geschlechts - diesen Männern sind die kraftstrotzenden Machosprüche des früheren Bodybuilders Balsam auf frustrierte Seelen.

Käufliche Demokratie

Für die meisten Frauen dürfte Schwarzenegger dagegen kaum wählbar sein. 15 Frauen haben ihn übler sexueller Übergriffe bezichtigt, die der Kandidat mehr oder weniger eingestanden hat. Schwarzenegger, wenn er denn gewählt wird, wird die Probleme Kaliforniens nicht lösen können. Aber sein Beispiel könnte Schule machen. Die Kosten des kalifornischen Volksentscheids werden auf rund 15 Millionen Dollar geschätzt. Eine Summe, die sich in Amerika schnell auftreiben lässt. Ist die Abberufung erfolgreich, könnten sich solche Volkentscheide künftig in Amerika häufen. Mit Demokratie hätte das nur wenig zu tun, dafür aber viel mit dem Einfluss von Lobbyisten, von Firmen und von Leuten, die sich Entscheidungen kaufen können. Hiervon geht die eigentliche Gefahr für die Politik aus. In Kalifornien und weit über den Sonnenstaat hinaus.