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Politiker im Ruhestand: Reden ist Gold

Sabine Peschel20. Januar 2006

Spitzenpolitiker wechseln von der politischen Bühne immer öfter ans Rednerpult. Nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik werden sie von internationalen Agenturen umworben.

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Jetzt als Redner zu buchen: Gerhard SchröderBild: AP

Willy Brandt ging einem Hobby nach, passend zu den Gepflogenheiten der 1970-er Jahre: Der sozialdemokratische Bundeskanzler und Friedensnobelpreis-Träger stand nach seinem überraschenden Abgang aus der bundesdeutschen Politik im Mai 1974 am Wasser und angelte. Vermutlich schwieg er dabei. Seine Enkel und deren Kollegen tun das Gegenteil. Sie reden, und das nicht zum Zeitvertreib, sondern gegen Geld, oft sogar viel Geld.

Weiter im Rampenlicht

Die Leere nach einem Stressjob kann gefährlich werden. Psychologen mahnen dazu, sich frühzeitig auf die neue Lebensphase einzustellen, um dem Leben im Ruhestand auch Positives abgewinnen zu können. Politikern scheint das besonders gut zu gelingen. Deutschlands jüngster Ex-Bundeskanzler, Gerhard Schröder, hat sich bereits kurz nach seinem Abgang aus der Politik ein weites Betätigungsfeld geschaffen: Er wurde Berater des Schweizer Ringier-Verlages und Verwaltungsrat des deutsch-russischen Pipelineprojekts NEGP.

Inzwischen steht er auch noch ganz oben auf der Liste der prominenten Neuzugänge der – nach eigenen Angaben - seit sechzige Jahren führenden Redneragentur "Harry Walker Agency". Von New York aus bietet diese die Vermittlung des "Chancellor of Germany 1998-2005" für Vorträge an. Zu buchen vorrangig in seiner Eigenschaft als "Internationale Autorität für globale Beziehungen, Wirtschaftsentwicklung und sozialen Wandel" und gegen saftiges Honorar. Insider-Einschätzungen zufolge betragen die Spitzengagen bei "Harry Walker" 250.000 Dollar.

Kommunikative Fähigkeiten zählen mehr als formale Qualifikation

Schröder befindet sich dort in Gesellschaft der besten unter den Ehemaligen. Ebenfalls unter Vertrag stehen neben Ex-Präsident Bill Clinton politische Größen vergangener Tage wie US-Außenminister Henry Kissinger, die ehemalige pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto oder John Ashcroft, bis 2005 Generalstaatsanwalt der Bush-Administration.

Ehrendoktor für Joseph Fischer
Ehrendoktor ohne Abi: Joschka FischerBild: AP

Schröders früherer Regierungspartner Joschka Fischer fehlt noch auf der Liste, obwohl gerade er sicherlich zu den Rednern gehörte, die sich in einer solchen neuen Rolle gut machen würden: Der Ex-Außenminister, Ehrendoktor der israelischen Universität Haifa, ist sprachgewandt, schlagfertig selbst auf Englisch, unterhaltsam. Seine in einer langen internationalen Politik-Karriere gewonnenen Kenntnisse will er angeblich in den Dienst einer amerikanischen Elite-Universität stellen. Dass er dafür keinen Hochschulabschluss, ja nicht einmal Abitur vorzuweisen hat, fällt dabei nicht ins Gewicht. Deutschlands größter Boulevardzeitung war das am Mittwoch (13.1.2006) die Titelseite wert. Die süffisante Boshaftigkeit der Schlagzeile "Fischer wandert aus!" mündete inzwischen in einen handfesten Medienstreit und die Androhung juristischer Schritte Fischers gegen die "Bild"-Zeitung.

Gutes Geschäft für Redneragenturen

Das Geschäft mit den Rednern wird in Deutschland ebenfalls gepflegt, allerdings bescheiden im Geschäftvolumen, verglichen mit den jährlichen Umsätzen von 16 Milliarden Dollar des amerikanischen Rednermarktes. Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Altbundeskanzler Helmut Kohl, und der frühere Außenminister Hans Dietrich Genscher stehen bei der bekanntesten europäischen Agentur "Celebrity Speakers Association" (CSA) unter Vertrag. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten für redegewandte Senioren aus der Politik, innerer Leere und depressiven Verstimmungen vorzubeugen. Als Berater des Senior Export Service können sie sich in vierzig Wirtschaftszweigen ehrenamtlich als Berater in Entwicklungs- und Schwellenländern engagieren. Unter den 6.800 Experten sollen auch ehemalige Landtagsabgeordnete und sogar Staatssekretäre sein.