1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Anschlagsziel Deutsche Bahn

12. Oktober 2011

Mehrfach wurden in den vergangenen Tagen in Berlin Brandanschläge auf die Deutsche Bahn verübt. Während Terrorakte ausgeschlossen werden, könnte es sich um kriminelle Taten oder um linksextreme Protestaktionen handeln.

https://p.dw.com/p/12qW9
Ein Polizeibeamter beobachtet die Bahngleise. Am Dienstag war in Berlin ein weiterer Brand-Anschlag vereitelt worden (Foto: dapd)
Bild: dapd

Es sind Funde wie dieser, die eine Debatte über Linksextremismus in Deutschland losgetreten haben. Am Dienstagabend (11.10) fanden Bahnangestellte sieben Kunststoffflaschen auf Bahngleisen im Norden Berlins. Die mutmaßlichen Brandsätze, gefüllt mit einer verdächtigen Flüssigkeit, wurden von Kriminalbeamten sichergestellt. Einer von insgesamt sieben Anschlagsversuchen, die bereits den dritten Tag in Folge den Großraum Berlin in Atem halten. Hauptbahnhof, Regionalbahnhof, Kabelanlagen und Gleise – die Täter haben in einer Serie von Brandanschlagsversuchen die Sicherheitsbehörden in Aufruhr versetzt. Am Mittwoch entzündete sich ein Brandsatz in einem Berliner Regionalbahnhof.

Bekennerschreiben aus der linken Szene


Ein Bekennerschreiben aus der linken Szene heizt die Debatte um eine neue Serie terroristischer Gewalt an. Bereits am Montag (10.11) war nach einem Brandanschlag auf eine Schnellbahntrasse ein Schreiben in einem linken Internetforum aufgetaucht. Darin übernahm eine Gruppe die Verantwortung für mehrere Anschläge auf Gleisanlagen, mit der Begründung, damit gegen den deutschen Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu protestieren.

Ein betroffener Kabelschacht (Foto:dapd)
Ein Kabelschacht mit Brandsätzen, die nicht gezündet habenBild: dapd

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann hatte in einem Zeitungsinterview am Mittwoch (12.10) genau das prognostiziert: "Der Linksextremismus eskaliert zum Linksterrorismus". Auch der Leiter der Sicherheitsabteilung der Deutschen Bahn geht davon aus, dass die Bahn Opfer extremistischer Täter sei. Sicherheitschef Gerd Neubeck betonte allerdings, dass bislang die Kontrollen der Deutschen Bahn gegriffen hätten. Die Bahn wies allerdings auch darauf hin, dass weder mit mehr Mitarbeitern noch mit mehr Videoüberwachung ein Streckennetz von 36.000 Kilometern lückenlos überwacht werden könnte.

Laut Verfassungsschutz leben in Berlin rund 1.100 gewaltbereite Linksextreme, in Deutschland insgesamt wird ihre Zahl auf 6800 geschätzt. Doch ob sie tatsächlich hinter den derzeitigen Anschlägen stecken, darum wird gestritten. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ordnete die jüngsten Anschläge sowie Anschlagsversuche als "verbrecherische, terroristische Ansätze einer neuen Dimension" ein. Der Generalsekretär der konservativen Regierungspartei CDU, Hermann Gröhe, nannte die Attacken einen "dramtischen Weckruf" für die Demokratie.

Das deutsche Bundesinnenministerium sieht dagegen in den Taten noch keine neue Welle von Linksterrorismus. Noch gebe es keine Hinweise, dass aus den linksextremen Gruppen bereits linksterroristische Vereinigungen geworden seien, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch. Eine Ansicht, die auch der regierende Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit (SPD) teilt.

Experten sehen keine terroristische Qualität

Hans-Gerd Jaschke, Linksextremismus-Experte mit einer Professur für Sicherheitsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, pflichtet dem Ministerium nach der intensiven Lektüre des öffentlich gewordenen Bekennerschreibens bei:

Ein ICE-Zug fährt in den Hauptbahnhof von Hamburg ein (Foto: dpa)
Auch betroffen: Die Hochgeschwindigkeitsstrecken für die deutschen ICEBild: picture alliance/dpa

"Hier haben wir es mit einer sehr idealistischen Gruppe zu tun, deren Professionalität und strategische Vorgehensweise weit hinter andere, als terroristische Vereinigungen eingestufte Gruppen zurückfällt", sagte Jaschke im DW-WORLD-Interview. Dennoch seien die Brandanschlagsversuche eine sehr ernste Bedrohung der Sicherheitslage, denn "sie richten sich gegen hochsensible Infrastrukturen". Nach derzeitigem Stand kommt Sicherheitsexperte Jaschke allerdings zum Ergebnis: "Was wir hier sehen, sind politisch motivierte Anschläge, aber kein Terrorismus". Ob diese Einschätzung Bestand haben wird, werden die kommenden Tage zeigen. Die Bundesanwaltschaft hat die Untersuchungen aufgenommen. Noch ist ein Ende der Serie von Brandsatz-Funden nicht in Sicht.


Autor: Richard Fuchs
Redaktion: Hartmut Lüning