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Politische Entwicklung Serbiens nach Verfassungsreferendum ungewiss

2. November 2006

Ganz knapp nur haben Serbiens Politiker die neue Verfassung durchgebracht. Rund 54 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Abstimmung, 52 Prozent sagten "Ja". Die politischen Probleme sind damit noch lange nicht gelöst.

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Die Zeit des Referendums sollte "gute Tage" für Serbien seinBild: AP

Die neue Verfassung war damit begründet worden, dass die Verankerung der Provinz Kosovo in der Präambel verhindere, dass das Kosovo unabhängig werden könnte. So hatte denn auch der national-konservative Ministerpräsident Vojislav Kostunica in der Referendumsnacht allen gedroht, die gegen die Verfassung stimmen und so eine Abspaltung des Kosovo ermöglichen würden. "Jegliche Entscheidung, die wie eine bedingte oder beschränkte Unabhängigkeit des Kosovo aussieht, würde für Serbien eine Veränderung der Lage bedeuten in Bezug auf die Länder, die zu einer einseitigen Anerkennung des Kosovo greifen würden“, sagte Kostunica. „Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben“, drohte er.

"Unzertrennlicher Teil"

Nötig geworden war die neue Verfassung, weil Montenegro im Sommer aus dem Staatenbund mit Serbien ausgetreten war. Zudem ist sie eine Antwort auf die schwere Regierungskrise und die erwartete Entscheidung der UNO über den Status des Kosovo. In der Präambel der Verfassung steht, dass die abtrünnige Albaner-Provinz ein unzertrennlicher Teil Serbiens ist. Diese Bindung mache die Wahl für einen Großteil der Bürger zu einem Referendum für oder gegen das Kosovo, so der Belgrader Politologe Vladimir Goati. Doch der UN-Kosovo-Vermittler Martti Ahtisaari, die UN- Kosovo-Verwaltung (UNMIK) und der albanische Kosovo-Regierungschef Agim Ceku haben versichert, die serbische Verfassung werde keine Auswirkungen auf den Status des Kosovo haben.

Im Kosovo fand die Volksabstimmung nur in den von Serben besiedelten Gebieten statt. In Südserbien boykottierten die dortigen Albaner das Referendum völlig. Auch in anderen Regionen mit starkem Minderheitenanteil - wie etwa in der Nordprovinz Voivodina - war die Wahlbeteiligung niedrig. Das Mitwirken der rechtsextremen Parteien am Grundgesetz hatte Serbiens ungarische und bosnische Bevölkerung verschreckt. Experten meinen aber, dass die neue Verfassung in Sachen Bürger- und Minderheitenrechte die europäischen Standards erfülle.

Verfassungsgegner riefen zum Boykott auf

Kritik hagelt es wegen der als undemokratisch titulierten Prozedur vor der Volksabstimmung. Für die Bürgerbewegung und die kleinen Oppositionsparteien sei die Verfassung ein dem Volk ohne öffentliche Debatte aufgezwungener Text, ein Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners der großen Parteien. Die Verfassungsgegner riefen zum Boykott auf und behaupten nun, dass weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten mit "Ja" gestimmt hätten. Der junge Politiker Cedomir Jovanovic wittert Wahlbetrug. Das Referendum und sein Ausgang seien wegen der ganzen Organisation nicht legitim und nicht legal. Die Beobachter der Gruppe CeSID geben ihm Recht darin, dass es, vor allem in den letzten Stunden, viele Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Nur könnten diese, so CeSID-Experten, den Ausgang der Volksabstimmung nicht beeinflussen.

Auswirkungen auf mögliche Neuwahlen

Die neue Verfassung soll Serbien helfen, aus dem innenpolitischen Patt herauszukommen: Neuwahlen auf allen Ebenen sollen klären, wer die Macht hat in den tief zerstrittenen politischen Lagern. Die Koalition des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica regiert wegen fehlender Mehrheit im Parlament ohne Außen- und Verteidigungsminister. Vier Minister einschließlich des Finanzministers hatten Anfang Oktober ihren Rücktritt eingereicht. Die Wirtschaftsreformen stocken, die Verhandlungen mit der EU über eine weitere Annäherung wurden unterbrochen.

Jungpolitiker Jovanovic sieht seine Chance bei Neuwahlen - er ist nicht der einzige. Auch Staatspräsident Boris Tadic betonte nochmals die Notwendigkeit von Neuwahlen. Seine oppositionellen Demokraten boykottieren seit Monaten das Parlament. Tadic, im Moment der populärste Politiker des Landes, hofft bei den vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen auf den eigenen und den Sieg seiner Mitte-Links-Partei. Er möchte, dass beide Wahlen in der zweiten Dezemberhälfte stattfinden.

Die Regierungskoalition stemmt sich noch gegen Neuwahlen. Doch die - wenn auch denkbar knappe - Annahme der Verfassung gibt, so glauben die Beobachter, eher Premier Kostunica frischen Wind.

Filip Slavkovic

DW-RADIO/Serbisch, 30.10.2006, Fokus Ost-Südost