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Politische Kunst aus Südafrika

21. April 2009

Kevin Brand, der im Kapstädter District Six aufgewachsen ist, kommentiert in seinen Arbeiten bis heute immer wieder die politische Situation in Südafrika. Eine seine spektakulärsten Skulpturen ist in Köln ausgestellt.

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Der südafrikanische Künstler Kevin Brand auf seiner Skulptur Seven StepsBild: Nina Gruntkowski

Nachdenklich sitzt Kevin Brand auf seine Skulptur "Seven Steps". Aus 900 Pappkartons hat er die legendären sieben Stufen samt der beiden Pfeiler am oberen Ende nachgebildet, die einst der soziale Dreh- und Angelpunkt des Kapstädter District Six waren. Der Künstler hat eine sehr enge Beziehung zu den Treppen, denn er war früher oft mit seiner Mutter auf der Nervous Street einkaufen gegangen. "Wenn ich also in den Spielzeugladen ging und meiner Mutter Lebensmittel einkaufte, sagte sie immer, dass ich sie wieder an den Seven Steps treffen sollte", erzählt Kevin Brand.

Kosmopolitisches Leben im District Six

Begeistertes Publikum bei der Ausstellung von Kevin Brand in Köln
Begeistertes Publikum bei der Ausstellung von Kevin Brand in KölnBild: Nina Gruntkowski

Seit dem 2. Weltkrieg prägten vor allem jüdische Einwanderer das an das Kapstädter Zentrum grenzende Arbeiterviertel. Die Atmosphäre war kosmopolitisch – Juden, Muslime, schwarze und weiße Christen alle lebten im District Six, wo Kirchen neben Moscheen standen, und die Menschen in den gut sortierten Läden der indischen Einwanderer einkaufen gingen. Doch das multikulturelle Leben war ein immer größere Dorn im Auge der Apartheidregierung, die dem Ganzen in den 60er Jahren schließlich ein Ende bereitete.

Bereits 1962 erhielten der damals neunjährige Kevin und seine Familie eine schriftliche Aufforderung, ihre Sachen zu packen, und in ein anderes Haus zu ziehen. Sechs Jahre später wurde der Stadtteil vollständig geräumt, die Häuser abgerissen – 60.000 Menschen verloren ihr Zuhause.

"Das Haar meiner Mutter"

Kevin Brand Künstler aus Südafrika
Seine Kunst kommentiert Südafrikas GegenwartBild: Nina Gruntkowski

Kevin Brand hatte bis dahin eine glückliche Kindheit im District Six gehabt, wo es viel Platz zum Spielen gab und der Strand nicht weit war. Doch als er und seine Familie den Stadtteil verlassen mussten, schnitt sich die Mutter die langen Haare ab. Das war der Anfang vom Ende, erklärt der Künstler: "Ich hatte eine sehr enge Beziehung zu ihr und konnte beobachten, wie sie sich täglich mehr veränderte. Sie lebte nicht mehr lange, aber sie taucht in all meinen Erinnerungen an District Six auf."

Die Skulptur "Seven Steps" ist daher sowohl eine persönlich wie auch politisch motivierte Arbeit. Kevin Brand baute die Pappskulptur das erste Mal 1997 auf - anlässlich des von ihm organisierten Sculpture Festival am national gefeierten Heritage Day. 30 Jahre nach der Räumung des District Six kommentierten er und 90 andere Künstler die Vergangenheit des verschwundenen Stadtteils und stellten gleichzeitig Überlegungen über die zukünftige Gestaltung an. Die Diskussion wird bis heute fortgesetzt, denn die Zukunft des District Six ist noch immer unklar. Da es sich um besten, innerstädtischen Baugrund handelt, an dem nicht nur die ehemaligen Anwohner Interesse haben.

Politische Kunst in Südafrika

Südafrika Land und Leute Kapstadt Zonnebloem Museum
District Six hat sein eigenes MuseumBild: J. Sorges

Vor allem Kevin Brands frühere Arbeiten sind, wie generell viel Kunst aus Südafrika, politisch inspiriert. Einige seiner Kollegen legten sogar den Pinsel weg, um als Sozialarbeiter zu arbeiten, erzählt Kevin Brand, der allerdings bei seinem Handwerk blieb. Eine weitere seiner bekanntesten Arbeiten trägt den Titel ‚19 boys running’ und erinnert an ein Massaker im Eastern Cape, bei dem 19 Menschen getötet wurden. Bei der Erinnerung an das lange zurück liegende Ereignis schaut Kevin Brand noch heute betroffen drein. Doch zu seinem eigenen Erschrecken, sagte ihm sein Herz schon damals, dass dies nichts sei im Vergleich zu dem, was Südafrika noch erwarte. "Inzwischen passiert alle paar Monate etwas Vergleichbares. Das Leben des Einzelnen zählt nichts mehr", beschreibt der Künstler die aktuelle Situation in Südafrika.

Dass Kunst nicht die Welt verändern, sondern höchstens bestimmte Themen zur Sprache bringen kann, ist Kevin Brand schon lange klar. Doch obwohl er sich vorgenommen hat, sich stärker auf persönlichere Themen zu konzentrieren, kommentiert er mit seinen Arbeiten bis heute immer wieder das politische Geschehen seines Landes. So auch den Freispruch des heutigen ANC-Vorsitzenden und Präsidentschaftskandidaten Jacob Zuma von der Anklage der Vergewaltigung, in dessen Folge die Anklägerin untertauchen musste. Daraufhin entschied sich Kevin Brand, ein Porträt dieser Frau zu machen, konnte aber kein Foto von ihr bekommen, da das Thema in Südafrika sehr angstbesetzt ist. Deshalb nahm er schließlich ein Bild der Tochter des ANC-Vorsitzenden, da die Frau, die ihn angeklagt hatte, die Tochter eines Freundes von Jacob Zuma war. Er gab dem Bild den Titel "Die Tochter eines Gefährten". "Man sieht erstmal nur dieses schöne Mädchen, bis der Blick auf den Titel fällt, der alles verändert."

Autor: Nina Gruntkowski / Redaktion: Dirk Bathe