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Politische Phrasen ohne Plan

Monika Dittrich30. August 2006

Das Aufgabenheft der Bundesregierung für die nächste Zeit ist prall gefüllt: Am Dienstag (29.8.) haben sich die Koalitionäre getroffen, um die Marschroute abzustecken - ohne echte Ergebnisse, findet Monika Dittrich.

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Die Themen, die es in den nächsten Monaten anzupacken gilt, reichen von Gesundheitsreform über Kündigungsschutz und Unternehmensteuerreform bis hin zum Bundeswehr-Einsatz im Nahen Osten. So mancher Streit ist dabei schon jetzt ausgemacht - etwa wenn es um das Nachbessern der Arbeitsmarktreform Hartz IV geht. Da sind sich Christ- und Sozialdemokraten nämlich gar nicht einig.

Dennoch wollten sie sich wohl einfach mal wieder gegenseitig auf die Schulter klopfen und sagen, dass alles in Ordnung ist mit der Großen Koalition. Christ- und Sozialdemokraten haben einen ordentlichen Schluck aus der Harmonie-Pulle genommen: Und das war offenbar das wichtigste Ziel der außerordentlichen Kabinettsklausur - denn etwas Substanzielles ist bei diesem Treffen nicht herausgekommen.

Konkrete Aussagen zum Regierungskurs: Fehlanzeige

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) haben natürlich versucht, ihrer Kabinettssitzung den Anschein großer und wichtiger Entscheidungen zu geben: Man habe den Regierungskurs für die nächsten Monate festgezurrt, hieß es da. Und man habe beraten, wie Deutschland zukunftsfest und zukunftssicher gemacht werden soll, wie der Arbeitsmarkt reformiert, die Bildung verbessert und die Konjunktur angekurbelt werden soll.

Doch wer den Politphrasen auf den Zahn fühlt, der merkt schnell: Das alles ist nicht neu - und noch dazu eher nebulös. Arbeitsgruppen sollen jetzt erst mal mögliche Reformschritte ausfindig machen, dann berichten und danach müsse man weiter nachdenken. Ein politischer Fahrplan für die Regierungsarbeit sieht anders aus. Aber vielleicht ging es ja gar nicht so sehr ums Konkrete und viel mehr ums Symbolische: Selten hat man die Unions-Kanzlerin und ihren sozialdemokratischen Stellvertreter auf der Berliner Bühne so einig nebeneinander gesehen.

Kaum zu glauben: Eine Christdemokratin und ein Sozialdemokrat, die sich gegenseitig mit Lob überhäufen. Das Klima in der Koalition sei ja ganz prima, versichern sie, und die Richtung stimme auch, und auf der Arbeitsebene sei man sich fast immer einig. Und wenn sich die beiden Parteien doch mal streiten, dann sei das ganz normal und kein Grund zur Sorge.

Ungewohnte Einigkeit unter den Koalitionspartnern

Angesichts dieser Loyalitätsbekundungen möchte man seinen Ohren kaum trauen: Wie war das noch mit dem Koalitionsknatsch in den letzten Wochen? Während der Sommerpause ließen Vertreter der Koalitionsparteien fast keine Gelegenheit aus, um sich gegenseitig mit Dreck zu bewerfen. Ob Gesundheit, Arbeitsmarkt oder Sicherheitsdebatte - auf fast keinem Themenfeld kamen SPD und CDU/CSU auf einen Nenner.

Und nun also diese Einigkeit im Kabinett. Damit reagieren die Koalitionäre wohl auch auf die schlechten Umfragewerte der letzten Monate. Denn mit ihrer neu entdeckten Liebe zueinander demonstrieren Merkel und Müntefering auch: Schaut her, liebe Bürger, die Große Koalition ist toll, und regieren tun wir jetzt auch wieder. Doch Sozial- und Christdemokraten wenden sich mit dieser Botschaft auch an ihre eigenen Parteien. Merkel und Müntefering signalisieren damit auch den vorlauten Hinterbänklern, dass es sich lohnt, an dieser Regierungskonstellation festzuhalten, dass es nun gilt, sich ruhig zu verhalten und die Reformprojekte durchzusetzen.

Und dann sind im September auch noch die Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern - bis dahin üben sich Sozial- und Christdemokraten vielleicht auch in sportlicher Fairness und dreschen ein bisschen weniger aufeinander ein. Nach den Wahlen aber dürfte es in der Großen Koalition noch einmal richtig Ärger geben.