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Politische Pirouetten um Amt des Bundespräsidenten

Cornelia Rabitz6. Januar 2004

In fünf Monaten (am 23.5.) wird in Deutschland ein neuer Bundespräsident gewählt. Die Aufstellung der Kandidaten bei der vor allem kräftig geheuchelt und taktiert wird, kommentiert Cornelia Rabitz.

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Nichts gegen eine offene und öffentliche Debatte über das künftige deutsche Staatsoberhaupt, über mögliche Kandidaturen und notwendige Qualifikationen - im Moment freilich wird vor allem kräftig geheuchelt und taktiert - viele beteiligen sich an dem Spektakel.

SPD kann keinen Kandidaten durchboxen

Tatsache ist, dass die SPD keine eigene Bewerbung durchbringen kann, sie verfügt in der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt, nicht mehr über genügend Stimmen, auch nicht mit den Grünen gemeinsam. Somit steht bereits jetzt fest, dass das höchste zu vergebende Amt von der CDU/CSU besetzt werden wird. Auch ein Grund übrigens, warum Amtsinhaber Johaannes Rau auf eine erneute und aussichtslose Kandidatur verzichtet hat.

Ein Frau soll her!

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in dieser Situation ein ganz besonderes Angebot parat: Er macht sich plötzlich stark für eine Frau an der Spitze des Staates, würde sogar eine CDU-Kandidatin unterstützen - doch dies ist eine vergiftete Botschaft gleich in mehrfacher Hinsicht.

Zum einen ist wahrlich keine geeignete weibliche Persönlichkeit von Format in Sicht. Die einzige in Frage kommende Kandidatin wäre im Unionslager Angela Merkel, doch die Partei- und Fraktionsvorsitzende hat längst andere, interessantere und vor allem auch aussichtsreiche Pläne: Sie möchte Kanzlerin werden und hat derzeit gute Chancen, Schröder spätestens nach der Bundeswahl 2006 zu beerben. Der Bundeskanzlers will sich also eine unliebsame Konkurrentin vom Halse zu schaffen - ein durchsichtiges Manöver.

Die Frauen in Deutschland werden im Übrigen wissen, was sie von dem Pseudo-Angebot Schröders zu halten haben. Es ist der puren Taktik geschuldet und nicht der Einsicht in die Tatsache, dass eine Präsidentin unserer Republik im 56. Jahr ihres Bestehens gut anstünde.

CDU mit eigenen Vorschlägen

Angela Merkel gerät inzwischen unter Druck. Seit langem schon wird ihr Vorgänger im Fraktionsvorsitz, Wolfgang Schäuble, als ernsthafter Bewerber gehandelt. Die Schwesterpartei CSU könnte mit dieser Kandidatur gut leben. Merkel aber zögert. Ihr Verhältnis zu Schäuble gilt als getrübt.

Ein weiterer Name wird unterdessen ins Spiel gebracht: Klaus Töpfer, früher einmal Bundesumweltminister wie Merkel, jetzt Direktor des UN-Umweltprogramms. Beide, Schäuble wie Töpfer, sind Persönlichkeiten von Format. Hält das Hin und Her indes an, so wären beide beschädigt und wohl kaum ernsthaft an einer Bewerbung interessiert. Angela Merkel muss also handeln und die Unionsspitzen müssen sich einigen, bevor die Debatte wirklich ausufert.

Politische Piroutten der Liberalen

Politische Pirouetten drehen unterdessen auch die Liberalen. Nicht ausgeschlossen, heißt es dort, dass man eine eigene Kandidatur auf die Beine stellen könnte. Keineswegs gewiß jedenfalls sei die automatische Unterstützung eines Unionskandidaten. Mit Verlaub - dies ist ein ans Lächerliche grenzendes Manöver. Wer, bitte, sollte sich den Freidemokraten anschließen? Die großen Parteien etwa? Schon wird der liberale Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhard ins Gespräch gebracht - mehr als ein Zählkandidat wäre dieser sicher integre aber doch farblose Mann sicher nicht.

Hoffen auf Einsicht

Parteipolitische Profilierung hin, politische Positionskämpfe her: Vielleicht kommen die Beteiligten doch noch zu der Einsicht, dass die Beschädigung des Amtes unbedingt vermieden werden muss. Und im Übrigen - es handelt sich um eine rein repräsentative Position. Man sollte die Bundespräsidentschaft also nicht überschätzen.

Fest steht heute nur: Am 23. Mai wird das neue Staatsoberhaupt gewählt.