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Ente trifft König

Daniel Scheschkewitz6. August 2007

Der Besuch des afghanischen Präsidenten Karsai in den USA war das Treffen einer lahmen Ente mit einem König ohne Land, meint Daniel Scheschkewitz.

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Bild: DW

Der afghanische Präsident Hamid Karsai war in höchster Not zu George Bush gereist, um sich den Rücken stärken zu lassen. Die aktuelle Geiselkrise in seinem Land, Zeichen wieder erstarkter Taliban, der blühende Drogenhandel und eine bedrohliche Zuspitzung der Lage im benachbarten Pakistan. All das hat seine ohnehin schwache Machtgrundlage weiter ins Rutschen gebracht. Karsais Regierung hält sich mit Hilfe der Nato-Truppen mühsam im Sattel, doch außerhalb der weiteren Umgebung der Hauptstadt Kabul ist sein Einfluss gering. Das zeigen schon die vergeblichen Bemühungen seiner Regierung zur Freilassung der koreanischen oder deutschen Geiseln.

Was tun?

Was also kann Präsident Bush tun, um den am seidenen Faden der Macht hängenden Karsai zu stützen? Die USA pumpen derzeit etwa Milliarden Dollar jährlich nach Afghanistan. Auch diesem Umstand, wie der breiten internationalen Hilfe insgesamt, ist es zu verdanken, dass die Kindersterblichkeit heute deutlich geringer ist als noch vor fünf Jahren. 85.000 Kinder sind heute in Afghanistan am Leben, die unter der Taliban niemals ihren sechsten Geburtstag gefeiert hätten. Die Hälfte von ihnen sind Mädchen und auch die meisten von ihnen werden demnächst eine Schule besuchen, was unter den Taliban undenkbar gewesen wäre. Auf diese nachweisbaren Erfolge kann Bush im Beisein Karsais verweisen und hat dies auch dieses mal wieder getan.

Aber diese im Westen gern gesehene Entwicklung ist bestenfalls ein Achtungserfolg. In Afghanistan selbst erregt dagegen vor allem das Vorgehen der rund 20.000 US Soldaten den Zorn der Menschen. Ihrem Vorgehen gegen die Taliban und El Kaida sind bereits viele hundert Zivilisten zum Opfer gefallen. Ein Umstand dem nicht zuletzt das Widererstarken der Taliban geschuldet ist. Längst ist der Einsatz auch der Nato-Truppen im Süden Afghanistans von einer Friedenssicherung zu einer Kriegsmission eskaliert, bei der Zivilisten immer häufiger zum berühmt-berüchtigten Kollateralschaden werden. Die Regierung Karsai hat die ISAF Truppen bereits mehrfach und nachdrücklich zu mehr Vorsicht gemahnt. Doch nur ein Teil der US-Truppen in Afghanistan sind der Nato unterstellt. Außerdem ist eine Eskalation durchaus im Interesse der Taliban. Jedes bei einem Nato-Angriff getötete Kind wiegt ungleich schwerer als der statistische Rückgang der Säuglingssterblichkeit und bringt den Taliban neuen Zulauf. Das gleiche gilt übrigens auch für vernichtete Klatschmohnfelder solange die betroffenen Bauern einer alternative Einnahmequelle entbehren.

Der schwache Verbündete

Im Übrigen sind sich die Militärs und Sicherheitsexperten weitgehend einig: Der Zulauf für die Taliban speist sich auch und gerade durch einsickernde Kämpfer aus den Grenzregionen Pakistans. Da aber sind Bush, anders als bei den Kampfmethoden der US-Truppen, die Hände gebunden. Generals Musharrafs Macht hängt spätestens seit dem Sturm seiner Soldaten auf die Rote Mosche nur noch an einem seidenen Faden. Ein amerikanisches Eingreifen und sei es nur zur Ergreifung von Mullah Omar oder Osama bin Laden könnte zum Umsturz in Pakistan führen - und dann wäre Bush einen seiner wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus los. So gesehen rächt sich jetzt, dass die Bush-Regierung Afghanistan Jahre lang im Schatten des Irakkrieges weitgehend links liegen ließ. Ebenso wie das Fehlen einer gemeinsamen Strategie des Westens für den zivilen Wiederaufbau. Jetzt, am Ende der Bush-Amtszeit, ist mit einer Kurskorrektur nicht mehr zu rechnen. Karsai muss auf einen politischen Neuanfang in den USA nach den nächsten Präsidentschaftswahlen warten - wenn es dann nicht zu spät ist. Bis es soweit ist müssen vor allem die anderen Nato-Staaten sich endlich eine echte Strategie für den zivilen Wiederaufbau geben. Sonst könnte schon die nächste Geiselkrise die ISAF- Koalition gefährlich ins Wanken bringen.