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"Politisches Engagement von Frauen im Kosovo stärken"

31. Oktober 2007

Petra Bläss, OSZE-Beraterin für das Kosovo-Parlament, fordert in einem Interview mit der Deutschen Welle eine stärkere politische Beteiligung von Frauen im Kosovo, insbesondere mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen.

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Bild: DW

DW: Frau Bläss, am 17. November finden im Kosovo Parlaments- und Kommunalwahlen statt. Die kosovarischen Institutionen führen den Wahlprozess selbst durch. Wie schätzen Sie als OSZE-Beraterin für die Zusammenarbeit mit dem kosovarischen Parlament die bisherigen Wahlvorbereitungen ein?

Petra Bläss: Zunächst habe ich sehr großen Respekt vor der Zentralen Wahlkommission und ihrem Sekretariat hier in Kosovo, die mit Unterstützung der OSZE in einem ganz intensiven kurzen Prozess das Beste getan haben, um die Vorbereitungen abzusichern. Ich gebe zu, dass die Terminleiste eine ganz kurze ist. Denn erst Ende August wurde dieser Termin bekannt gegeben und dazu kommt, dass es nicht nur eine, sprich die Parlamentswahl im Kosovo gibt, sondern es werden drei Wahlen parallel stattfinden: Die Parlamentswahl, Kommunalwahlen und zum allerersten Mal Direktwahlen für die Bürgermeister in den Kommunen. Zusätzlich haben wir es erstmals mit einem System der "offenen Listen" zu tun. Das heißt: Wählerinnen und Wähler und diejenigen, die die Wahlen zu organisieren haben, stehen vor einer wahnsinnigen Herausforderung, das alles in einer kurzen Zeit vorzubereiten.

Worauf richten Sie in diesem Prozess Ihr Augenmerk?

Ich habe in den letzten Wochen vor allem daran mitgearbeitet, das Engagement von Frauen in diesem Prozess weiter zu stärken. Da gibt es ein ziemlich hoffnungsvolles Signal, dass Frauen über Parteien und zum Teil über Ethnien hinweg gemeinsam ein großes Interesse daran haben, dass mehr Frauen in die Parlamente gewählt werden. Im Übrigen gibt es im Wahlgesetz vor allem dank des ständigen Drucks der Nicht-Regierungsorganisationen eine festgesetzte 30-Prozent-Quote, d. h. die Listen werden so ausgezählt, dass am Ende mindestens 30 Prozent der Abgeordneten Frauen sein werden. Das ist ein Riesenfortschritt. Aber das heißt nicht automatisch, dass Frauen im Wahlkampf adäquat präsent sind. Wenn man sich das Team ansieht, das für die Statusverhandlungen in Wien zuständig ist, so besteht es ausschließlich aus Männern. Außerdem geht es auch darum, dass Frauen als Wählerinnen stärker zu motivieren und zu unterstützen. In ländlichen Gebieten existiert vielfach noch das so genannte family voting, also der Grundsatz, dass sozusagen der Herr im Haus entscheidet, wer gewählt wird. Die Frauen sollten eigene Entscheidungen treffen.

Sie haben eins der Probleme gerade angesprochen: das "family voting". Ein anderes Problem wurde mehrfach von verschiedenen Beobachtern angesprochen, nämlich dass von den vier größten im Augenblick im Parlament vertretenen kosovarischen Parteien zwei aus der ehemaligen UCK hervorgegangen sind. Man sagt, dass in diesen Parteien ehemalige Offiziere oder immer noch im Untergrund aktiv bewaffnete Menschen die Fäden im Hintergrund ziehen. Kann dies auch zu Druck auf die Wähler führen?

Auf jeden Fall. Jeder, der länger in der kosovarischen Gesellschaft mitlebt, weiß, dass sich jenseits der offiziellen Mechanismen sehr viel hinter den Kulissen tut. Das war auch für mich eine schmerzliche Erfahrung. Mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ist hier im Kosovo sehr viel für das "institution building" und "capacity building" getan worden. Gerade was die Arbeitsfähigkeit des Parlaments betrifft, wurden in den letzten Jahren unheimlich viele Fortschritte gemacht. Und trotzdem, wenn es hart auf hart kommt, sind genau die Mechanismen, die Sie beschrieben haben, da. Umso wichtiger ist es, dass viele Frauen gewählt werden. Die offenen Listen geben allen eine große Chance, weil die Wählerinnen und Wähler mündig sind und entscheiden können. Schließlich ist ja bekannt, dass Frauen in viel geringerem Maße in diesen – ja, ich sage es offen – mafiösen Strukturen vertreten sind. Wenn diejenigen Kräfte gestärkt werden, die offensiv damit brechen, dann ist das ein Hoffnungssignal. Es ist wichtig zu schauen, welche Mechanismen im Inneren einer Gesellschaft tatsächlich wirken. Die kann man nicht von heute auf morgen ändern. Da hilft nur langfristige Unterstützung im Sinne einer Demokratiebildung.

Ist es denn auch so, dass Belgrad Druck auf die Kosovo-Serben ausübt, damit sie die Wahlen boykottieren, wie es schon bei den letzten Wahlen der Fall war?

Es gibt eindeutig den Druck aus Belgrad. Trotz vieler engagierter kosovo-serbischer Politikerinnen und Politiker gab es leider nie eine richtige Chance, dass sie eine eigenständige Politik entwickeln konnten. Dass sie dem Boykottaufruf aus Belgrad gefolgt sind, habe ich immer sehr bedauert. Ich habe in den letzten fünf Jahren die Arbeit des Parlaments begleiten können. Grundsätzlich halte ich nichts davon, sich selbst aus einem Prozess der Demokratiebildung und Entscheidungsfindung heraus zu katapultieren. Serbische Parlamentarier waren de facto durch den Boykott überhaupt nicht präsent. Sie arbeiten zwar in einigen Gremien des Parlaments, wie in Ausschüssen oder dem Women Caucus mit, das ist aber keine Ebene, die die Öffentlichkeit erreicht.

Das Interview führte Filip Slavkovic, DW-Serbisch, 26.10.2007