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Politisches Niemandsland

Ingo Mannteufel3. Oktober 2004

Seit dem Terrorakt in Beslan wird der Kaukasus wieder mehr beachtet. Zu den "eingefrorenen Konflikten" in dieser Region gehört auch der in Abchasien.

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Ihre Namen sind in Europa genauso unbekannt wie ihre Republik: Raul Chadshimba, Sergej Bagapsch und Sergej Schamba sind die wichtigsten der sechs Kandidaten für die Präsidentenwahl am 3. Oktober in Abchasien. Sie alle wollen das Amt des seit 1994 amtierenden Präsidenten Wladislaw Ardsinba übernehmen, den eine schwere Krankheit und eine Verfassungsklausel von einer erneuten Teilnahme abhält.

Wer sind die Abchasen?

Am Ende der Sowjetunion gehörte die Schwarzmeer-Region Abchasien als Autonome Republik zur Sowjetrepublik Georgien. Damit waren die muslimischen Abchasen nie richtig einverstanden gewesen, sahen sie sich doch durch die christlichen Georgier diskriminiert. Der nationalistische Kurs der georgischen Unabhängigkeitsbewegung führte 1992 zu einem kurzen, aber blutigen Krieg, in dem Abchasien faktisch die Unabhängigkeit errang. Hilfe erfuhren die Abchasen dabei von Russland, dessen Armee bis heute die abchasisch-georgische Demarkationslinie als Friedenstruppe bewacht.

Michail Saakaschwili als Militärbeobachter
Michail SaakaschwiliBild: AP

Im Laufe des Krieges wurden Tausende Georgier vertrieben. Die Rückgewinnung Abchasiens ist seitdem Konsens der ansonsten so zerstrittenen politischen Elite Georgiens. Das gilt auch für den neuen Präsidenten Michail Saakaschwili, der im Sommer russischen Touristen in Abchasien drohte. Bei der UN-Vollversammlung im September legte Saakaschwili einen Drei-Stufen-Plan vor, der Abchasien innerhalb Georgiens große Autonomie geben soll. Eine Reintegration Abchasiens scheint jedoch gegenwärtig wenig wahrscheinlich. Alle abchasischen Kandidaten treten für die Unabhängigkeit der Republik ein. Lediglich in der Tonlage gegenüber Georgien gibt es leichte Unterschiede.

Russlands Schlüssel zum Kaukasus

Ein weiterer Garant für den Status Quo ist Russland. Ein abtrünniges Abchasien wirkt destabilisierend auf die politische Lage in Georgien. Damit erhält sich Russland auch künftig Einflussmöglichkeiten im strategisch so wichtigen Kaukasus und in Zentralasien. Ebenso nutzen die russischen Truppen mit Freude den Militärflugplatz im abchasischen Gudauta, dessen Flugbewegungen angeblich nicht vom türkischen NATO-Radar erfasst werden können.

Russlands Unterstützung für Abchasien ist jedoch nicht auf das Militärische beschränkt: Abchasien ist faktisch längst zum 90. Föderationsobjekt Russlands geworden. Russische Geschäftsleute haben im großen Stil die Sanatorien und Hotels an der malerischen Schwarzmeerküste erworben. Mindestens 40 Prozent aller Abchasier haben mittlerweile die russische Staatsangehörigkeit – nach einigen Schätzungen sogar noch weit mehr. Abchasische Rentner erhalten Geld aus dem russischen Pensionsfond, und für Briefe aus dem Ausland nach Abchasien hat die russische Post in Sotschi eine Verteilstation eingerichtet. Jüngstes Beispiel für die russische Hilfe: Seit dem 10. September ist die Zugstrecke zwischen Suchumi und Moskau wieder eröffnet.

Moskau setzt auf Kandidat der Macht

Der Besuch des abchasischen Ministerpräsidenten Raul Chadshimba bei Präsident Putin Ende August 2003 in Sotschi zeigte, dass Russland auf den so genannten Kandidaten der Macht setzt: Chadshimba gilt als aussichtsreichster Präsidentschaftsanwärter, da er vom jetzigen Präsidenten Ardsinba und dessen Gefolgschaft unterstützt wird. Die politische Macht und auch die wirtschaftlichen Besitzstände der jetzigen abchasischen Führung sollen damit gesichert werden. Unabhängig jedoch davon, welcher der Kandidaten das Rennen macht, die pro-russische Ausrichtung Abchasiens dürfte bestehen bleiben.