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Polizei geht gegen Demonstranten vor

20. Juni 2009

Trotz Drohungen und Verboten haben in Teheran wieder Tausende Menschen gegen die umstrittene Präsidentenwahl demonstriert. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Mehrere Menschen sollen verletzt worden sein.

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Demonstranten in Teheran (Foto: AP)
Tausende ließen sich von Demonstrationsverboten nicht beirrenBild: AP

Nach der umstrittenen Präsidentenwahl im Iran haben sich am Samstag (20.06.2009) die Fronten zwischen Oppositionsanhängern und der Staatsmacht weiter verhärtet. Trotz Verbots und eindringlicher Warnungen protestierten die Anhänger von Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad.

Augenzeugen berichteten von massiven Auseinandersetzungen von Anhängern des offiziell unterlegenen Kandidaten Mir Hussein Mussawi mit Sicherheitskräften und Gefolgsleuten Ahmadinedschads. Nach unbestätigten Berichten gab es mehrere Verletzte.

Die Polizei ging mit Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen Kundgebungsteilnehmer vor, um die Demonstranten auseinanderzutreiben. Die Berichterstattung in- und ausländischer Medien wurde erneut massiv behindert, ein klares Bild der Vorgänge ist kaum zu erhalten.

Wird Mussawi zum Märtyrer?

Iranischer Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi (Foto: dpa)
Der iranische Oppositionsführer Mir Hussein MussawiBild: picture-alliance / nu2/ZUMA Press

Mussawi sagte nach Angaben seiner Anhänger bei einem Treffen im Westen Teherans, er werde seinen Kampf fortsetzen. Er sei "bereit, dafür zum Märtyrer" zu werden. "Wenn sie mich verhaften, dann sollten alle streiken und die Arbeit niederlegen", so der Oppositionsführer. Zugleich bekräftigte er seine Forderung, die Präsidentenwahl für ungültig zu erklären und die Abstimmung zu wiederholen.

In einem Brief an den mächtigen Wächterrat schrieb Mussawi am Samstag, die Verfälschung des Wahlergebnisses sei Monate im Voraus geplant gewesen. Vor allem kritisierte er die Unterbrechung von Kommunikationsnetzen wie Internet und SMS am Wahltag und sprach von einem "empörenden Schritt".

Mit seiner neuerlichen Kritik setzte Mussawi sich demonstrativ über Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hinweg, der als höchste Autorität im Iran am Freitag das Wahlergebnis bestätigt und vor weiteren Demonstrationen gewarnt hatte. Gleichzeitig hatte er die Opposition aufgefordert, Einwände auf dem Rechtsweg vorzubringen, und mit Konsequenzen gedroht, sollten die "illegalen" Demonstrationen weitergehen.

Der iranische Wächterrat, eine Art Verfassungsgericht, erklärte sich dazu bereit, stichprobenartig zehn Prozent der Stimmen neu auszuzählen. Die beiden Zweit- und Drittplatzierten bei der Wahl, Mussawi und Mehdi Karrubi, kamen allerdings der Einladung des Wächterrats zur Sitzung am Samstag nicht nach. Damit wollten sie nach Einschätzung von Beobachtern ihre Forderung nach Wiederholung der gesamten Wahl bekräftigen.

Berichte über Selbstmordattentat

Für eine weitere Zuspitzung sorgten Berichte staatlicher Medien, wonach sich ein Selbstmordattentäter vor dem Mausoleum von Ajatollah Khomeini im Süden Teherans in die Luft gesprengt hat. Dabei soll der Attentäter einen weiteren Menschen mit in den Tod gerissen und acht andere verletzt haben.

Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Ob ein Zusammenhang mit den Massenprotesten besteht, war zudem unklar. Das Mausoleum des islamischen Revolutionsführers Khomeini gilt vielen Iranern als Heiligtum.

Massiver Einsatz der Sicherheitskräfte

Demonstranten in Villepinte bei Paris (Foto: AP)
Demonstranten in Villepinte bei ParisBild: AP

In Erwartung neuer Proteste sind in ganz Teheran starke Spezialeinheiten der Polizei aufgezogen. Sicherheitskräfte versuchten, Demonstranten am Vordringen in die Innenstadt zu hindern. Dort gelang es der Polizei nach Angaben von Beobachtern, mehrere hundert Demonstranten zu zerstreuen, die vor Tränengas und Wasserwerfern in Seitenstraßen flüchteten.

Die Polizei soll dabei auch mehrfach Warnschüsse abgeben haben. Offenbar habe die Taktik der Polizei zunächst gewirkt, meinten Beobachter. Es seien deutlich weniger Demonstranten unterwegs gewesen als in den vergangenen Tagen.

Auch die "Basidsch"-Milizen, die den Präsidenten unterstützen, waren im Einsatz. Ihre Gegner hätten eines der Gebäude der Miliz angezündet, hieß es.

Obama: Würde des Volkes respektieren

US-Präsident Barack Obama hat den Ton gegenüber der Führung in Teheran verschärft. "Wir rufen die iranische Regierung auf, alle gewalttätigen und unberechtigten Handlungen gegen die Menschen im eigenen Land zu stoppen", forderte Obama am Samstagabend in einer vom Weißen Haus verbreiteten Erklärung. "Die iranische Regierung muss erkennen, dass die Welt auf sie blickt."

Es sei ein Irrtum, zu glauben, man könne Ideen aus der Welt schaffen, indem man sie unterdrücke, sagte Obame. Letztlich würden die Menschen im Iran die Handlungen ihrer eigenen Regierung bewerten. "Wenn die iranische Regierung den Respekt der internationalen Gemeinschaft sucht, dann muss sie die Würde ihres eigenen Volkes respektieren und auf Konsens statt auf Zwang setzen."

90.000 demonstrieren bei Paris

Iranische Polizei löst Proteste auf (Foto: AP)
Iranische Polizei löst Proteste auf (Archivbild vom 14. Juni)Bild: AP

Europaweit demonstrierten erneut tausende Exiliraner gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads, etwa in Hamburg, Frankfurt am Main und Stuttgart.

Auch in der Nähe von Paris protestierten Zehntausende Exil-Iraner gegen die Führung in Teheran. Nach Angaben von Vertretern des Nationalen Iranischen Widerstandsrats (NWRI) trafen sich rund 90.000 Menschen in Villepinte zu einer Kundgebung. Die iranischen Präsidentschaftswahlen am 12. Juni seien nur ein illegales Werkzeug gewesen, um die schlimme Herrschaft im Iran zu stärken, hieß es. (gri/mas/dpa/ap)

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