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Polizeiausbildung per Crashkurs in Afghanistan

18. Februar 2011

Eine Ausbildung im Eiltempo durchlaufen afghanische Polizeianwärter. Trainiert werden sie von der Europäischen Polizeimission, um einmal selbst für die Sicherheit ihres Landes sorgen zu können. Geht das Konzept auf?

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Dänischer Eupol-Polizist überreicht afghanischer Polizistin ihr Zertifikat (Foto: picture alliance / dpa)
Am Ende der Ausbildung gibt es ein ZertifikatBild: picture alliance/dpa

Erst Masse, dann Klasse – nach dieser Strategie bilden die Polizisten der europäischen EUPOL-Mission ihre afghanischen Kollegen aus. Einer der Trainer ist der deutsche Polizeiausbilder Gary Menzel, der seit 10 Monaten in Kabul arbeitet. "Da wir einen absoluten Mangel an Polizeikräften in Afghanistan haben, muss natürlich erst einmal Masse produziert werden", so Menzel. Für eine mehrjährige Ausbildung wie in Deutschland sei da keine Zeit.

Keine Zeit für vertiefende Inhalte

Brigadegeneral Jukka Savolainen (l.) bei einem Treffen mit afghanischen Generälen im Herbst 2010 (Foto: EUPOL)
Brigadegeneral Jukka Savolainen (l.) bei einem Treffen mit afghanischen Generälen im Herbst 2010Bild: EUPOL

Gerade einmal sechs Wochen dauert der Crashkurs, der einen afghanischen Bewerber zum Polizisten macht, selbst wenn er nicht lesen und schreiben kann. Gerade genug Zeit, um den sicheren Umgang mit der Waffe zu lernen und die Grundbegriffe der Personenkontrolle. Vor allem kämpfen müssen die Polizisten können, denn sie werden regelmäßig von Aufständischen angegriffen. "Täglich werden im Durchschnitt vier afghanische Polizisten getötet, insgesamt waren es im letzten Jahr mehr als 1200", sagt der Leiter der EUPOL-Mission in Afghanistan, der Finne Jukka Savolainen. Was viele nicht wissen: Es ist nicht die afghanische Armee und auch nicht die NATO-Truppe, die die meisten Toten zu beklagen hat, sondern die afghanische Polizei.

Kein Wunder also, dass Kampftechniken im Lehrplan ganz oben stehen. Bis Ende nächsten Jahres werde das so bleiben, sagt Savolainen, der die Vorgaben der internationalen Gemeinschaft erfüllen will: Mindestens 134.000 ausgebildete Polizisten bis Ende 2012, vielleicht sogar 170.000. Einige Zehntausend Afghanen müssen also noch durch den sechswöchigen Crashkurs geschleust werden. Erst danach kann die Ausbildung in die zweite Runde gehen. "Meiner Meinung nach brauchen die afghanischen Polizisten ein zweites Training von etwa drei Monaten Dauer", erklärt Savolainen seine langfristige Strategie. In diesem Vertiefungs-Kurs könne den Polizisten erklärt werden, welche Rechte Bürger und Festgenommene haben, welche ethischen Prinzipien wichtig sind und wie das Verhältnis zwischen der Polizei und der Bevölkerung sein sollte.

Kein Vertrauen zur Polizei

Deutscher Polizist besucht eine Kontrollstelle der afghanischen Polizei in Kabul (Foto: dpa)
Deutscher Polizist besucht in Kabul afghanische Polizisten bei der ArbeitBild: picture-alliance/dpa

Gerade da liegt einiges im Argen: Die Afghanen sind misstrauisch gegenüber staatlichen Institutionen, die sie für parteiisch und korrupt halten, die Polizei eingeschlossen. "Es mangelt an Vertrauen in staatliche Institutionen, weil sie schlichtweg über drei Jahrzehnte nicht existent waren", so die Erfahrung des Berliner Polizeiausbilders Menzel. "Wenn Vertrauen erst einmal zerstört ist, dann dauert es lange, das wieder herzustellen."

Im Kabuler Innenministerium erklärt der 54jährige seinen afghanischen Kollegen, wie sie ganz behutsam wieder Kontakt zu den Menschen auf der Straße aufbauen können. Derzeit würde kaum eine afghanische Frau bei der Polizei Schutz suchen, wenn ihr Mann sie misshandelt. "Aber es gibt zusätzliche Anstrengungen, Frauen in die Polizei zu bringen, und damit auch den Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, sich über häusliche Gewalt zu beschweren." Das sei ein großes Thema in den Fortbildungen für die Führungskräfte der afghanischen Polizei.

Arm eines EUPOL-Soldaten mit Dienstabzeichen (Foto: picture alliance / dpa)
Im Juni 2007 gab die Europäische Union den Startschuss für die EUPOL-Mission in AfghanistanBild: picture alliance/dpa

Fahrplan für die Zukunft

Es sind also dicke Bretter, die die europäischen Polizeiausbilder bohren müssen, ihre Expertise wird noch viele Jahre gebraucht werden. Nun geht es aber zunächst einmal um die "Transition", die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen, die in einzelnen Provinzen schon in diesem Jahr beginnen soll. Die afghanische Armee und Polizei spielen dabei eine Schlüsselrolle: Nur wenn sie für Sicherheit sorgen, können sich die Kampftruppen der NATO zurückziehen, auch die der Bundeswehr. Mit Blick auf die afghanische Polizei ist EUPOL-Leiter Savolainen optimistisch: "Bis 2014 können wir die Übergabe auf jeden Fall schaffen."

Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Esther Felden