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Keine Pauschalverdächtigung gegen Flüchtlinge

Christoph Hasselbach3. Juni 2016

Spuren von IS-Terroristen, die offenbar einen Anschlag in Düsseldorf planten, führen in Flüchtlingsunterkünfte. Doch Gewerkschaftschef Rainer Wendt sieht keine direkte Verbindung zwischen Terroristen und Flüchtlingen.

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Polizeistreife in der Fußgängerzone (Foto: picture-alliance/dpa/M. Hitij)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

DW: Herr Wendt, wie groß ist der Zusammenhang zwischen IS-Extremisten, die in Deutschland und anderen Ländern Anschläge verüben wollen, und den Flüchtlingen?

Wendt: Es gibt überhaupt keinen direkten Zusammenhang. Das würde die Menschen, die zu uns gekommen sind, um hier bei uns Schutz zu suchen, pauschal diskreditieren, wenn man das behaupten würde. Es gibt die Gefahr und es gibt immer mal wieder Hinweise darauf, dass es einzelne Verdächtige gibt, die diese Routen genutzt haben. Das hat sich auch nach den Pariser und Brüsseler Anschlägen herausgestellt. Aber es gibt keinen direkten Zusammenhang.

Tatsache ist aber, dass sich mehrere Terrorverdächtige und festgenommene Männer als Flüchtlinge getarnt hatten. Könnte das nicht doch die Spitze eines Eisberges sein?

Es gibt immer wieder Hinweise - im übrigen von den Flüchtlingen selbst - an die Sicherheitsbehörden, dass der eine oder andere genauer überprüft werden sollte. Jeden dieser Hinweise nehmen die Sicherheitsbehörden auch ernst und gehen diesem nach. Deshalb muss man ganz genau hinschauen, und das tun wir auch.

Das heißt, die Sicherheitskräfte sollten jetzt auch die Flüchtlingsunterkünfte und ihre Bewohner genauer unter die Lupe nehmen, einmal, um möglichen Terroristen auf die Spur zu kommen, und auch, um Radikalisierungsversuche zu stoppen?

Das tun die Sicherheitsbehörden ja schon seit Monaten. Es kommen von dort immer wieder Hinweise auf verdächtige Personen, und jeden dieser Hinweise nehmen die Sicherheitsbehörden sehr ernst. Das tut entweder die Polizei, wenn es den konkreten Verdacht einer Straftat gibt, aber wenn es um Radikalisierungsprozesse geht, dann ist das die Aufgabe des Verfassungsschutzes, das zu beobachten. Und das tun wir auch.

Rainer Wendt (Foto: picture-alliance/dpa/I. Wagner)
Rainer Wendt: "Der Kontrollverlust im Herbst war ein großes Problem"Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Sie haben den Verdacht, der IS wolle Flüchtlinge gezielt diskreditiert sehen. Warum sollte er das tun?

Das sind ja Menschen die vor allen Dingen vor dem IS aus Syrien und anderswo fliehen, und deshalb hat der IS natürlich ein strategisches Interesse daran, dass die Stimmung hier, am besten pauschal gegen Flüchtlinge, gestört wird, und diese Unruhe zu schaffen ist sicherlich eines dieser Ziele. Das ist nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden schon nach den Anschlägen von Paris und Brüssel deutlich geworden.

Müssen Sie nicht befürchten, dass manche Politiker die Anschlagspläne für ausländerfeindliche Zwecke ausnutzen?

Das muss man leider befürchten, und deshalb ist es sehr wichtig, dies zu diskutieren und auch zu identifizieren, damit genau das nicht passiert, damit wir nicht einen generellen Terrorverdacht gegen Flüchtlinge entwickeln, sondern sehr differenziert diskutieren. Wir müssen auf die Gefahren hinweisen, die Sicherheitsbehörden stärken und sensibilisieren, aber auf gar keinen Fall einen pauschalen Terrorverdacht gegen irgendeine Gruppe äußern.

Sind diese Einschleusungen, auch wenn es vielleicht nur wenige sind, nicht auch die Folge, wenn so viele Menschen unkontrolliert ins Land kommen, wie das bis Anfang dieses Jahres der Fall war?

Das ist natürlich ein großes Problem, und deshalb beklagen ja Sicherheitspolitiker und andere zurecht, dass es diesen Kontrollverlust im Herbst gegeben hat. Deshalb war die Forderung auch wichtig, bereits bei der Einreise in Transitzonen dafür zu sorgen, dass die Menschen erst einmal vernünftig erfasst und kontrolliert werden. Wer kommt da in unser Land? Das ist aber alles Schnee von gestern. Das ist nun einmal passiert, und jetzt müssen wir versuchen, mit einer zentralen Datei, mit einer besseren Kommunikation der Länder untereinander, das sozusagen wieder aufzuholen.

Rainer Wendt ist Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Das Gespräch führte Christoph Hasselbach