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Polizeistatistik in Polen wird in großem Stil gefälscht

16. Dezember 2002

– Sowohl die tatsächliche Zahl der Verbrechen als auch die Ermittlungsquote bleibt unbekannt

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Warschau, 16.12.2002, NEWSWEEK POLSKA, poln.,

(...) Die Manipulationen der Statistiken bei der Polizei haben erst nach der Einführung des Programms "17X5" begonnen, das von der Hauptkommandantur der Polizei im Jahre 2001 eingeführt wurde. 17 bedeutet die Zahl der Großstädte in Polen, in denen das Programm angewendet wird, und 5 steht für die Verbrechen, die am meisten begangenen werden, d.h. für Diebstahl, Einbruch, Erpressung, Gewaltanwendung und tätlicher Angriff. Diese Delikte sollten rigoros bekämpft werden.

Von den Erfolgen dieses Programms sind auch die Beförderungen und Gehaltserhöhungen der Kommandanten bei der Polizei abhängig: "Für uns bedeutet das Programm aber nur eins: 17 Anzeigen zurückweisen und fünf anzunehmen, um die Statistik nicht zu gefährden", geben Polizisten aus Bialystok zu, die anonym bleiben wollten.

Auf dem Papier sieht also alles sehr gut aus. Die Vorgesetzten bekommen ihre Belohnung und Orden, obwohl sie nicht gern mit uns darüber sprechen wollen. (...)

Die Statistik wird in ganz Polen im großen Still gefälscht. Aus den Angaben der Hauptkommandantur der Polizei geht hervor, dass im Jahr 2000 48,8 Prozent der Täter ermittelt wurden. Ein Jahr später war die Aufdeckungsquote noch optimistischer und betrug 53 Prozent. Man könnte denken, dass wir in einem sicheren Staat leben. Aber die Wahrheit ist leider ganz anders. Die Statistiken der Polizei täuschen.

Die gefälschten Angaben, die durch die Propaganda in den Medien unterstützt wurden, bewirkten, dass die Polen der Polizei ihr Vertrauen schenkten und an ihre Effektivität glaubten, obwohl im Mai d. J. ein gefährlicher Verbrecher vor den Augen der Polizei aus dem Gerichtssaal geflohen ist. (...)

Aus den Untersuchungen des Institutes OBOP geht hervor, dass 64 Prozent der Polen davon überzeugt sind, dass die polnische Polizei gute Arbeit leistet, wobei diese Ansicht 18 Monate vorher nur von 46 Prozent der Befragten vertreten wurde. Was noch interessanter ist: der gute Ruf der Polizei wird nicht einmal durch den Mangel an Sicherheit in eigenem Lande getrübt. 71 Prozent der Polen fühlen sich nämlich nicht sicher in ihrem eigenen Staat. Die Kraft der Propaganda und der statistischen Zahlen ist aber imposant.

Die laut verkündeten Erfolge der Polizei wurden von Leszek Miller zu den stärksten Argumenten gezählt, die die Effektivität seiner Regierung untermauern sollen. Diese Effizienz bei der Verbrechenbekämpfung resultiert jedoch hauptsächlich aus der gefälschten Statistik.

Die Methoden der Fälschung sind überraschend einfach. Die Polizisten müssen Aktenvermerke über erstattete Anzeigen machen. Wenn die Chancen auf Ergreifung eines Täters in ihren Augen schlecht stehen, leiten sie keine offiziellen Ermittlungen ein. Wenn es keine offizielle Ermittlung gibt, gibt es auch kein Verbrechen in der Statistik.

Auch der Wert der gestohlenen Gegenstände wird von den Polizisten heruntergestuft, weil das Delikt als Vergehen und nicht als Verbrechen eingestuft wird, wenn der Sachwert die Summe von 250 Zloty nicht übersteigt. Wenn der Täter dann nicht gefasst wird, wird diese Angelegenheit nicht in die Verbrechenstatistik aufgenommen, sondern unter der Rubrik "Vergehen" geführt. (...)

"Als ich dem Polizeibeamten angegeben habe, dass diese Tür 300 Zloty kostet, hat der Beamte geschwitzt und sich aufgeregt. Am Anfang hatte er sogar Zweifel daran, dass überhaupt etwas gestohlen wurde und dann wusste er nicht, ob er die Anzeige aufnehmen sollte. Als ich darauf beharrte, dass die Tür auch Geld gekostet hatte, drohte er, keinen Finger zu rühren, wenn der Wert nicht unter 100 Zloty angegeben wird", erzählt Frau Krystyna. Der Täter wurde dann doch dank Aussagen eines Zeugen ermittelt, aber aufgrund des Aktenvermerks bei der Polizei nur eines Vergehens beschuldigt. Zum Glück war der Richter im Amtsgericht der Ansicht, dass der angegebene Wert der Tür zu niedrig sei und er empfahl eine Neubewertung. (...)

Aufgrund der Manipulationen bei der Polizei kann weder die Ermittlungsquote in Polen noch die Zahl der Verbrechen präzise eingeschätzt werden. "Alle Beamten der Polizei wissen genau, dass einige Teile der offiziellen Statistiken der Wirklichkeit nicht entsprechen. Nach wie vor jedoch dienen diese Tabellen und Berechnungen als Grundlage für die Bewertung der Arbeit von Polizeibeamten", sagt Unterkommissar Julian Sekula (...)

Die Tatsache, dass die Statistiken häufig gefälscht werden, wurde durch die Untersuchungen des Unterkommissars Jan Swol bestätigt, der bei der Woiwodschaftskommandantur der Polizei in Rzeszow arbeitet. Er hatte die Promotionsprüfungen an der Jagiellonen Universität vor drei Wochen bestanden. Das Thema seiner Dissertation behandelte gerade die Dunkelziffer des Verbrechens in Polen. Die von ihm zu diesem Thema befragten Polizeibeamten von mehreren Dienststellen in der Region Podkarpackie gaben zu, dass in der Statistik nur jedes dritte Delikt aufgenommen wird, weil es den Polizisten gelingt, die Opfer zu überzeugen, keine Anzeige zu erstatten. (...)

Diese Fälschungen der Statistik wären niemals ans Tageslicht gekommen, wenn die Polizisten selbst dies nicht zugegeben hätten. Viele von ihnen haben den Schwindel, der den Vorgesetzten Ruhm und Geld bringt, einfach satt. Zumal sie zu diesen Praktiken durch Erpressung und Drohungen von ihren Vorgesetzten gezwungen werden.

Die Polizeibeamten in Bialystok haben sich entschlossen, den Kreis des Schweigens zu durchbrechen. Sie wandten sich an die Gewerkschaft, die dann den Ombudsmann und die Kontrollbehörde bei der Woiwodschaftskommandantur der Polizei verständigte. Die Ermittlungen brachten 80 Fälschungen der Statistik ans Tageslicht. (...). Diese Angelegenheit wird jetzt von der Staatsanwaltschaft in Bialystok untersucht. (Sta)