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Die Stunde Jaroslaw Kaczynskis ist gekommen. Das Rennen ist offen

29. April 2010

Jaroslaw Kaczynski will seinen verunglückten Zwillingsbruder Lech als Präsident der Republik Polen beerben. Damit beginnt in Polen ein Wahlkampf, der im Schatten einer nationalen Tragödie stattfindet.

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Kaczynski (Foto: AP)
Jaroslaw Kaczynski will Polens neuer Präsident werdenBild: AP
Flugzeugabsturz (Foto: AP)
Präsident Lech Kaczynski starb bei diesem Flugzeugabsturz bei SmolenskBild: AP

Wer seine politische Biographie kennt, wird sich nicht wundern, wenn Jaroslaw Kaczynski den tragischen Tod seines Bruders und anderer hochrangiger Politikern beim Flugzeugabsturz bei Smolensk auch politisch für sich nutzen wird. Denn die Welle des Mitleids und der emotionalen Stimmung, die nach dem Unglück sich breit machte, brachte auch die Trendwende mit sich. Den neuesten Umfragen zufolge legte die national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in den letzten Tagen von 24% auf 33% Prozent zu. Die Zahl derer, die die Arbeit des verstorbenen Präsidenten positiv einschätzen, verdoppelte sich sogar von 27% auf 52%. Vor der Katastrophe standen die Chancen für die Wiederwahl Lech Kaczynskis denkbar schlecht. Posthum wäre er jetzt ganz vorn.

Jaroslaw Kaczynski, ein gewiefter politischer Taktiker, will sich die Chance nicht entgehen lassen, dem populären Kandidaten der regierenden Bürgerplattform (PO) Bronisław Komorowski Paroli zu bieten. Zwischen den beiden wird sich das Rennen um den Präsidentenpalast entscheiden.

wegung fuer die Freiheit in Polen. (AP Photo/Michael Sohn) --- German Chancellor Angela Merkel, right, and the president of the parliament of Poland, Bronislaw Komorowski pose in Berlin, Germany, Wednesday, June 17, 2009 in front of a piece of the wall of the shipyard of the Polish city of Gdansk in memory of the fight for freedom of the Solidarnosc movement. (AP Photo/Michael Sohn)
Parlamentspräsident Bronislaw KomorowskiBild: AP

Das Ziel heiligt die Mittel

Während Komorowski ebenso wie sein Förderer Ministerpräsident Donald Tusk die konzilianten Töne bevorzugt, setzt Jaroslaw Kaczynski und seine Partei seit eh und je auf Konfrontation und Konflikt, sowohl innen- wie auch außenpolitisch. Die zweijährige Amtszeit Jaroslaw Kaczynskis als Regierungschef brachte Töne mit sich, die man in der Nachwendezeit nicht kannte. Fast obsessiv wurden überall kommunistische Seilschaften vermutet und verfolgt und Korruptionsskandale sogar provoziert. Und die größten Nachbarn Polens, Deutschland und Russland wurden mit Misstrauen und Ansprüchen aus der Vergangenheit konfrontiert. Unvergessen bleibt auch die exotische Koalition mit zwei rechts-populistischen und zum Teil von schrillen Politikern besetzten Parteien, die Jaroslaw Kaczynski den Weg für das Ministerpräsidentenamt geöffnet haben. Hier hat Jaroslaw Kaczynski gezeigt, dass er ein Machtmensch ist: Wenn es um die Macht geht, heiligt für ihn das Ziel die Mittel.

People supporting the burial of late Polish President Lech Kaczynski gather under the Wavel castle in Krakow, Poland Thursday, April 15, 2010. As the country continued to mourn, authorities tackled the massive security challenge of Sunday's state funeral in Krakow, an event that will be attended by many world leaders, including President Barack Obama and Russian President Dmitry Medvedev and royalty such as Britain's Prince Charles. Kaczynski who was killed in a plane crash in Russia is to be buried in Wawel on Sunday. (AP Photo/Petr David Josek)
Beerdigung von Präsident Lech Kaczynski auf der Burg Wawel in KrakauBild: AP

Die Mission des Bruders

Die Erklärung Jaroslaw Kaczynski über seine Kandidatur lässt erahnen, dass er wie gewohnt auch auf die patriotischen Töne und die Unterstützung der mehrheitlich konservativ aufgestellten katholischen Kirche setzen wird. Die Entscheidung, seinen Bruder auf der Burg Wawel, neben Polens Königen und dem Republikgründer zu bestatten, gibt dazu einen Vorgeschmack. Hier wird ein politischer Mythos geschaffen, auf dem Jaroslaw aufbauen wird: Die Mission seines Bruders müsse fortgeführt werden, Polen stark zu machen, für Ihre Interessen gegenüber Nachbarn einzutreten und im Einklang mit Geboten des katholischen Glaubens zu gestalten.

Das Rennen ist offen

Das laute Auftreten und die rauen Töne, die den Wahlkampf von Jaroslaw Kaczynskis prägen werden, sollen aber nicht darüber wegtäuschen, dass die Mehrzahl der polnischen Wähler diesem Politikstil 2007 den Rücken gekehrt hat. Auch wenn Kaczynski die Stichwahl zum Präsidentenamt erreichen sollte, macht der ruhige und bedachte Politikstil Bronislaw Komorowski zum Favoriten dieses Duells. Es sei denn Kaczynski und seine national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zaubern etwas aus dem Hut, wie bereits 2005, als Donald Tusk das Rennen um das Präsidentenamt im letzten Moment verlor. Entscheidend wurde damals ein Detail der Biographie von Tusks Großvater, der kurz bei der deutschen Wehrmacht diente.

Autor: Bartosz Dudek

Redaktion: Gero Rueter