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Polnisches Institut für Nationales Gedenken bereitet sich auf umfangreichste Ermittlungen in seiner Geschichte vor

1. Oktober 2002

- Naziverbrecher des Konzentrationslagers Groß Rosen sollen aufgespürt und vor Gericht gestellt werden

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Breslau 1.10.2002, SUPER EXPRESS, poln.

Das Institut für Nationales Gedenken (IPN ) in Wroclaw (Breslau) bereitet sich auf die umfangreichsten Ermittlungen in seiner Geschichte vor. Diese Ermittlungen sollen Naziverbrechen betreffen, die in dem ehemaligen Konzentrationslager Groß Rosen sowie in den hundert Filialen dieses KZ auf dem Gebiet Niederschlesiens begangen wurden. Vielleicht wird es dank der Arbeit der Staatsanwälte des IPN gelingen, die Schuldigen so viele Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges endlich vor Gericht zu stellen.

"Unsere Ermittlungen haben zum Ziel, die Personen ausfindig zu machen, die damals Verbrechen begangen haben", erklärt Tomasz Rojek, leitender Staatsanwalt des Institutes für Nationales Gedenken in Wroclaw.

Die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft des IPN sammeln zur Zeit sämtliche Dokumente über Verbrechen, die von SS-Angehörigen, Beschäftigten im KZ Groß Rosen und Gefangenen verschiedener Nationalität begangen wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei auch um Personen polnischer Nationalität handelt. Zur Zeit wird jedoch erst das Beweismaterial gesammelt. "Das wird jedoch viel Zeit in Anspruch nehmen. Bisher wurden schon 50 Aktenbände sichergestellt", sagt Tomasz Rojek.

Warum aber werden die Ermittlungen erst jetzt eingeleitet? Tatsache ist, dass es schon einige Ermittlungsverfahren in den sechziger und den siebziger Jahren gegeben hat. Diese wurden jedoch nicht beendet. "Diese Ermittlungen damals wurden teils eingestellt, teils hat man sie ruhen lassen. Manche Täter waren bereits tot, andere konnte man nicht ausfindig machen", erklärt Tomasz Rojek und fügt hinzu: "Einige Täter wurden bereits in Deutschland vor Gericht gestellt. Den Polen wurde jedoch der Zugang zu diesen Akten erst vor kurzem gewährt."

Einer der ehemaligen Gefangenen des KZ Groß Rosen war Andrzej Ochlewski aus Wroclaw, der heute 79 Jahre alt ist: "Ich war von Februar 1944 bis März 1945 Gefangener des KZ Groß Rosen. In dieser Zeit war ich Zeuge vieler Verbrechen. An eins kann ich mich aber besonders gut erinnern, d.h. an einen Deutschen, der die Gefangenen durch Spritzen direkt ins Herz tötete", erzählt Andrzej Ochlewski.

Er war täglich Zeuge des Todes seiner Mitgefangenen, von denen viele durch die enorm harte Arbeit und aufgrund des Mangels an ärztlicher Versorgung starben.

Er selbst spricht sich jedoch gegen die Ermittlungen des IPN aus: "Das wird sowieso nichts mehr bringen. Es ist zu spät, um die Naziverbrecher aufzuspüren und die Zeugen zu vernehmen. Ich gehörte damals zu den jüngsten Gefangenen und bin jetzt fast achtzig. Meine Henker sind sicherlich nicht mehr am Leben", sagt Andrzej Ochlewski.

Andrzej Ochlewski trat schon als Zeuge bei den Gerichtsverfahren auf, die in Deutschland stattfanden: "Während einer Pause einer Gerichtsverhandlung in Düsseldorf kam der Angeklagte auf mich zu. Ich hatte damals zugesehen, wie er andere Menschen umgebracht hatte. Er kam aber auf mich zu, lächelte freundlich, klopfte mir auf die Schulter und sagte: ‚Wir kennen uns vom Konzentrationslager. Kannst du dich noch an mich erinnern?‘ Das war eine Farce. Vor Gericht sagte er aus, dass er lediglich seine Befehle ausgeführt habe", erzählt Andrzej Ochlewski.

Andrzej Ochlewski befürchtet, dass die Naziverbrecher aus Groß Rosen – falls es zu einem Prozess in Polen überhaupt kommen sollte - dieselbe Entschuldigung benutzen und dass sie aufgrund ihres Alters nicht bestraft werden.

Das Konzentrationslager Groß Rosen ist im August 1940 in der Nähe von Strzelin (Strehlen) gegründet worden. In dieser Zeit wurden hier auch die ersten Gefangenen untergebracht. In Groß Rosen wurden insgesamt 120 000 Menschen gefangen gehalten, 40 000 davon sind ums Leben gekommen. (...) (Sta)