1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Popow: Der Traum von der Goldmedaille

Olivia Fritz31. August 2012

Der deutsche Leichtathlet Heinrich Popow will Gold. Nach Bronze und Silber bei den Paralympischen Spielen in Athen und Peking möchte der beinamputierte Sprinter nun endlich Erster werden.

https://p.dw.com/p/15xnQ
Leichtathlet Heinrich Popow (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wer Heinrich Popow auf der Straße trifft, muss schon genau hingucken, um seine körperliche Behinderung zu entdecken. Der 29-jährige Leichtathlet hat nur ein Bein, sein linker Oberschenkel steckt in einer Beinprothese. Wenn er faul sei, sagt er, steuere er die Prothese nicht so sauber. "Dann schleife ich sie ein bisschen hinterher, deswegen sieht man das."

Vor genau zehn Jahren wurde Popows Oberschenkel amputiert. In der Schule war er beim Fußballspielen böse getreten worden. Die Schmerzen hielten wochenlang an, daraufhin ließ er sich untersuchen. Es folgten Fehldiagnosen und noch größere Schmerzen. Bis dann endlich die Ärzte einen bösartigen Knochentumor fanden. Die Folge: Chemotherapie und Amputation. Bis heute ist nicht klar, ob der Tritt den Tumor ausgelöst hat oder der Tumor durch den Tritt erst entdeckt worden ist. Weil Popow ein positiv eingestellter Mensch ist, sagt er, der Tritt habe ihm das Leben gerettet. Die Diagnose nahm er damals mit jugendlicher Leichtigkeit an. "Dadurch, dass ich auch damals schon so positiv war, war es für mich überhaupt keine Frage, ob ich das überlebe. Ich hatte aber keine Geduld. Ich wollte nicht im Krankenhaus liegen, sondern mich draußen bewegen können."

Eine Prothese muss sitzen wie ein guter Schuh

Popow lebt seitdem mit einem mechanischen Kniegelenk und einer speziell auf ihn abgestimmten Prothese, ähnlich wie die des Olympia-Teilnehmers Oscar Pistorius. Mit der Prothese sei es wie mit einem Schuh: Sie müsse exakt passen. Im Alltag dämpft die Prothese jeden Schritt, ein spezieller Chip erfasst Unebenheiten auf dem Boden und gleicht diese aus. Dadurch habe er an Lebensqualität gewonnen. "Man muss nicht ständig auf den Boden gucken, wenn er uneben ist, es geregnet hat oder es abschüssig ist. Man kann hocherhobenen Hauptes durch die Welt gehen und den Menschen in die Augen schauen."

Beim Sport hat er eine Spezialanfertigung ohne jedes Extra - ähnlich der Prothese des Olympiateilnehmers Oscar Pistorius. Beim Sport stört jedes zusätzliche Gramm Gewicht. Also gibt es dort keinen Komfort und auch keinen Mikrochip - der Schaft sitzt sehr eng an. Da muss alles passen. Und die Prothese muss erst einmal eingelaufen werden. Das alles sei nicht so einfach, wie es aussähe, betont Popow. "Du kannst nicht in die Prothese steigen und sagen: Gut - die rennt jetzt und ich renne mit ihr. Du musst die Prothese steuern." Pistorius hält er für einen Ausnahme-Athleten und einen wichtigen Botschafter für den Behindertensport.

Leichtathlet Heinrich Popow. (Foto: dpa)
Heinrich Popow will bei den Paralympics in London zu Gold sprintenBild: picture-alliance/dpa

"Es ist egal, ob man ein Bein hat oder zwei"

Popow ist es auch. Er trainiert bei Bayer Leverkusen mit Athleten ohne Behinderung und treibt seinen Sport weiter voran. Die Aufmerksamkeit sei größer geworden, sagt er. Früher haben man die Sportler mit Behinderung mal "mitmachen lassen". Mittlerweile werden sie als Sportler gesehen. Als Athleten. "Es ist egal, ob Du wie ich ein Bein hast oder zwei. Ich trainiere zum Beispiel in einer Trainingsgruppe von nicht behinderten Athleten. Da sind alles Mädels. Und welcher Typ lässt sich schon gern von Mädels schlagen? Ich nicht!"

Popow trieb zunächst Sport, um sich an die Behinderung zu gewöhnen, mit ihr umzugehen und er wurde schnell richtig gut: Bronzemedaille über 100 Meter bei den Paralympics in Athen (2004), Silber in Peking (2008) und Gold bei den Weltmeisterschaften in Neuseeland (2011). Zudem Bronze im Weitsprung in Athen. Durch seinen Sport bekam er einen Job bei Bayer Leverkusen. Er hat Ansehen erreicht und sagt sogar, dass er sein jetziges Leben nicht tauschen will - auch nicht für sein altes gesundes Bein.

Der gebürtige Kasache, der als Kind nach Deutschland kam, ist mental stark und hat viel Selbstvertrauen gewonnen durch den Sport. Und so gibt es in London für den Sprinter und Weitspringer nur einen großen Traum: die Goldmedaille. "Dritter in Athen, Zweiter in Peking - drei, zwei, eins!" Es sei gerade so ein Zeitpunkt, wo er bereit sei. "Die mentale Stärke habe ich auf jeden Fall. Wenn ich jetzt auf die Bahn gehe, möchte ich am liebsten meine Konkurrenz auffressen."