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Poroschenko will Ukraine in die EU führen

Marcus Lütticke7. Juni 2014

Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko machte in seiner Antrittsrede deutlich, wo er die Zukunft seines Landes sieht. Auf dem Weg nach Europa muss er jedoch noch viele Hürden überwinden.

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Ukrainischer Staatspräsident Petro Poroschenko (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nun ist es also offiziell. Die Ukraine hat einen neuen, demokratisch gewählten Präsidenten. Mehr als drei Monate nach dem Sturz von Viktor Janukowitsch hat Petro Poroschenko in Kiew sein Amt als neuer Staatschef angetreten.

In seiner Antrittsrede machte Poroschenko deutlich, welche Perspektive er für den zukünftigen Weg der Ukraine sieht: "Es ist die Zeit gekommen, eine neue und moderne Ukraine zu errichten." Er wolle daher schon bald den wirtschaftlichen Teil des EU-Assoziierungsabkommens unterzeichnen. Das Abkommen sei für ihn ein erster Schritt zum späteren Beitritt zur Europäischen Union. Diese Ausrichtung, so Poroschenko, sei nicht verhandelbar.

Nur symbolische Unterstützung

An der Zeremonie im Parlament von Kiew nahmen zahlreiche Staatsgäste teil, darunter auch Bundespräsident Joachim Gauck, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sowie US-Vizepräsident Joe Biden. Russland hatte seinen Botschafter Michail Surabow zu der Amtseinführung geschickt. Überrascht waren Beobachter, auch den weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko dort zu sehen, der als letzter Diktator Europas gilt und erst kürzlich mit Russland und Kasachstan einen Vertrag zur Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion geschlossen hatte.

Die Teilnahme so vieler hochrangiger ausländischer Regierungsvertreter bei einer Amtseinführung ist ungewöhnlich und gilt als Symbol, dass sie den neuen Präsidenten unterstützen. Bundespräsident Gauck nahm zum ersten Mal an einer solchen Zeremonie im Ausland teil.

Bundespräsident Gauck auf dem Maidan in Kiew (Foto: Getty Images)
Bundespräsident Gauck nutzte den Besuch in Kiew, um sich auch auf dem Maidan umzusehenBild: Getty Images

Hans-Joachim Spanger, Politikwissenschaftler bei der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, sieht diese Symbolik zwiespältig: "Positiv daran ist, dass man damit dokumentiert, dass die Ukraine nicht allein gelassen wird, insbesondere auch gegenüber Druck aus Russland." Negativ sei dagegen, dass es zu wenig konkrete Hilfsleistungen gebe. "Symbolische Akte sind hier ein wenig Ersatz für Politik." Wichtig sei es, so Spanger, dass man der Ukraine nun auch wirtschaftlich unter die Arme greife.

Die EU als Perspektive am Horizont

Einen Beitritt der Ukraine zur EU hält Spanger jedoch in absehbarer Zeit für unwahrscheinlich. "Es gibt Mitglieder in der Europäischen Union, wie beispielsweise Polen, die seit langem fordern, dass die Ukraine eine Beitrittsperspektive haben soll, aber der Widerstand dagegen ist nach wie vor sehr groß." Daran ändere auch das Assoziierungsabkommen nichts, dessen politischer Teil von der Übergangsregierung in Kiew bereits unterzeichnet wurde und dessen wirtschaftlichen Teil Poroschenko nun voranbringen möchte.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sich im Rahmen der Feierlichkeiten zum D-Day in Frankreich kurz mit Petro Poroschenko getroffen - viele Beobachter hat das überrascht. In einer anschließenden Pressekonferenz sagte Putin, dass er vor dem Assoziierungsabkommen warne: "Sobald es unterzeichnet ist und wirksam wird, werden wir gezwungen sein, Maßnahmen zum Schutz unserer eigenen Wirtschaft zu ergreifen." Momentan gebe es zwischen Russland und der Ukraine keine Zölle. Sollten diese nun auch zwischen der EU und der Ukraine abgebaut werden, würde die Ukraine zum Transitland für die Einführung zollfreier Waren aus der EU nach Russland. Dem habe sein Land aber nie zugestimmt.

Merkel mit Putin und Poroschenko in Benouville (Foto: Reuters/Guido Bergman/Bundesregierung)
Unerwartetes Gespräch in der Normandie - Merkel mit Putin und PoroschenkoBild: Reuters/Guido Bergman/Bundesregierung

Markus Kotzur, Professor für Völkerrecht von der Universität Hamburg, plädiert daher dafür, die Regierung in Moskau stärker mit einzubeziehen. "Man muss Russland zeigen, dass es für Russland ökonomische Vorteile hat, wenn die Ukraine am Binnenmarkt der Europäischen Union partizipiert. Die Ukraine kann hier eine Scharnierfunktion haben."

"Krim bleibt ukrainisch"

Neben dem Assoziierungsabkommen machte Poroschenko auch die Krim zum Thema seiner Antrittsrede. Er betonte, dass er die von Russland annektierte Schwarzmeerhalbinsel weiter als Teil der Ukraine ansehe. "Die Krim war und bleibt ukrainisch", sagte der 48-Jährige.

Parade am Tag der Arbeit auf der Krim (Foto: picture-alliance/dpa)
Die Krim bleibt völkerrechtlich ein Teil der Ukraine - auch wenn Russland militärisch die Macht übernommen hatBild: picture-alliance/dpa

Völkerrechtler Kotzur stimmt dieser Bewertung juristisch betrachtet zu: Völkerrechtlich gehöre die Krim zur Ukraine, auch wenn sie von Russland besetzt ist. Ein solcher Zustand könne durchaus auch über Jahre und Jahrzehnte andauern, ohne dass sich am rechtlichen Status etwas ändere. Erst wenn die Ukraine über einen anderen Status der Krim mit Russland verhandele, könne man die Lage neu bewerten.

Poroschenko kündigte in seiner Rede erneut an, bald auch in den umkämpften Osten des Landes reisen zu wollen. Auf Russisch wandte er sich an seine Landsleute im Donbass: "Wir werden euch unter keinen Umständen vergessen." Er werde "mit der Botschaft des Friedens und der Garantie der freien Anwendung der russischen Sprache" im Gepäck kommen. Außerdem versprach er den östlichen Regionen mehr Autonomie.

Nun muss der frisch gekürte ukrainische Präsident beweisen, dass er ein wirklicher Reformer ist, stellt Friedens- und Konfliktforscher Spanger klar. Schließlich sei er bereits in der Vergangenheit Mitglied von ukrainischen Regierungen gewesen. "Es wird entscheidend darauf ankommen, dass die Menschen, die diese Revolution auf dem Maidan gestaltet haben, das Heft nicht - wie nach der Orangenen Revolution - wieder aus der Hand geben."