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Portugal: Das neue Griechenland?

27. April 2010

Nach dem hochverschuldeten Griechenland könnte Portugal zum Wackelkandidaten bei der Sanierung der Staatsfinanzen werden. Und auch dort laufen Gewerkschaften jetzt Sturm gegen den rigiden Sparkurs der Regierung.

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Nur eine einzige Person auf einem leeren Bahnsteig (Foto:ap)
Nichts geht mehr: Streiks gegen Kürzungspläne der Regierung legen Portugal lahmBild: AP

Die Bilder gleichen sich, die politischen Führungen kämpfen an den gleichen Fronten: Wie in Griechenland haben sich am Dienstag (27.04.2010) auch in Portugal die Streiks ausgeweitet, die sich gegen die drakonischen Sparpläne der Regierung richten. Und wie Griechenland – wenn auch bislang noch mit gemäßigteren Folgen – ist auch Portugal durch Spekulationen über eine Staatskrise und durch sinkende Kreditwürdigkeit bedroht.

Sorgen um die Zahlungskraft beider Staaten setzten die Börsen unter Druck, so auch den deutschen Leitindex DAX, der um 2,7 Prozent abstürzte.

Einsamer Fahrgast in leerem Bahnhof (Foto:ap)
Regierung zweifach unter Druck: Durch Streiks im Inland und Spekulanten an den internationalen BörsenBild: AP

Aus Protest gegen den Sparkurs von Ministerpräsident José Socrates legten die Angestellten von 16 Transportunternehmen die Arbeit nieder, darunter die Eisenbahner. Auch die Fährverbindungen und zahlreiche Buslinien wurden bestreikt.

Im Großraum Lissabon kam es zu zahlreichen Staus, weil Pendler aus dem Umland mit dem Auto zur Arbeit fahren mussten. Die Postgewerkschaft hatte bereits am Montag zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Für den 5. Mai wurden weitere Massenaktionen angekündigt.

Ringen um solide Finanzen provoziert Streikbewegung

Die sozialistische Minderheitsregierung hatte im März ein äußerst unpopuläres Kürzungsprogramm vorgelegt, um das Haushaltsdefizit von 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wieder unter Kontrolle zu bringen.

Socrates dem Publikum zuwinkend (Foto:ap)
Vor unangenehmen Einschnitten: Regierungschef SocratesBild: AP

Dazu sollen Sozialausgaben beschnitten, Steuererleichterungen für bestimmte Gruppen abgeschafft und die jährlichen Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst unter der Inflationsrate gehalten werden. Zudem will das Finanzministerium durch Privatisierung von Staatseigentum sechs Milliarden Euro Schulden abbauen. Das Programm ist auf vier Jahre angelegt.

Die Neuverschuldung in Portugal erreichte im vergangenen Jahr 9,4 Prozent - deutlich mehr als die im EU-Stabilitätspakt erlaubten drei Prozent. Die Gesamtverschuldung stieg damit auf 76,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, erlaubt sind eigentlich maximal 60 Prozent. Mit diesen Werten kommt Lissabon allerdings bei weitem nicht an Athen heran: Die Neuverschuldung der Griechen erreichte 2009 13,6 Prozent, die Gesamtverschuldung lag bei rund 115 Prozent.

Lissabon unter Druck - Griechen aber schon mit "Junk"-Status

Szene von der Börse (Foto: DW-Archiv)
Auch auf die Pleite Portugals könnten internationale Spekulanten schon wettenBild: DW-TV

Ungeachtet dessen wurde auch Portugals Kreditwürdigkeit noch weiter heruntergestuft. Die Ratingagentur Standard & Poor's senkte ihr Kreditrating am Dienstag von A-plus auf A-minus und verwies auf wachsende haushaltspolitische Risiken. Auch der Ausblick sei negativ, so S&P.

Zudem waren die Kosten für Staatsschulden auf Rekordhöhen gestiegen: Am Montag hatten die Investoren für zehnjährige Lissaboner Staatsanleihen über fünf Prozent Rendite verlangt. Für Griechenland waren die Zinsen zugleich allerdings schon auf 9,8 Prozent gestiegen. Und weitaus dramatischer als in Portugal: Standard & Poor`s stufte die Kreditwürdigkeit der Griechen schon auf "Junk"-Status herab, setzte also deren Anleihen mit "Schrott"-Papieren gleich.

Die Europäische Union hatte sich zunächst im Allgemeinen zufrieden mit dem Sanierungskonzept der Portugiesen gezeigt, aber verstärkte Anstrengungen angemahnt. Zugleich waren die Iberer immer als erste Kandidaten für einen eventuell notwendigen Rettungsfonds der EU genannt worden.

Experten schließen darüber hinaus mittelfristig einen Dominoeffekt nicht mehr aus, bei dem die griechische Malaise auf Staaten wie Portugal, oder auch Spanien, Irland oder Italien übergreifen könnte.

Autor: Siegfried Scheithauer (afp, apn, rtr)

Redaktion: Manfred Götzke