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Bank auf Chefsuche

Manuela Kasper-Claridge, z. Zt. London14. Mai 2012

In der EU gibt es Streit um die Besetzung des Chefpostens bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Seit 2008 führt der Deutsche Thomas Mirow die Bank. Seine Wiederwahl ist ungewiss.

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Logo der EBRD, European Bank for reconstruction and Development. Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Copyright: EBRD Mai, 2012
EBRD LogoBild: EBRD

Ein einsamer Sonnenstrahl spiegelt sich auf der glänzenden Haut der "Broadgate Venus", der dicken Dame des kolumbianischen Künstlers Ferdinand Botero. Die große, schwarz glänzende Bronzestatue steht direkt vor dem Haupteingang der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die allgemein auch Osteuropabank genannt wird. Auf dem Vorderplatz ist bereits ein Zelt aufgebaut, um die Teilnehmer der Jahrestagung zu empfangen. Hektisch korrigieren Handwerker noch an einigen Stellen die Aufbauten.

Auch im zwölf Stockwerke umfassenden Bankgebäude am Londoner "One Exchange Square", geht es zu wie im Bienenstock. Russisch, Spanisch, Deutsch, Bulgarisch und Englisch ist zu hören. Ständig kommen Gäste, die von Mitarbeitern der Bank empfangen werden. Seit Donnerstag (17.05.2012) werden die Vertreter der 65 Länder, die Anteilseigner sind, zur Jahrestagung erwartet.

Logo der EBRD. Foto: EBRD
Logo der Osteuropabank mit Hauptsitz in London.Bild: EBRD

Die Bank ist in den letzten Jahren stark gewachsen und gehört heute zu den wichtigen europäischen Förderinstituten. Kredite im Umfang von neun Milliarden Euro bewilligte die Osteuropabank im vergangenen Jahr. Mit diesen Mitteln wurden Infrastrukturmaßnahmen in Ungarn oder Kasachstan ebenso gefördert wie der Aufbau unabhängiger Finanzinstitute in den Ländern Osteuropas oder Zentralasiens.

Turbulente Jahrestagung erwartet

Selten ist eine Jahrestagung mit so viel Spannung unterlegt gewesen wie diese. Denn diesmal geht es nicht um das Abnicken vorher verfasster Erklärungen, sondern es wird kontrovers diskutiert werden. Streitpunkt ist das Präsidentenamt bei der Osteuropabank. "Diesmal haben wir eine echte demokratische Abstimmung", raunt ein Mitarbeiter aus dem Präsidentenbüro und schaut ein wenig unsicher. Denn es ist völlig unklar, ob Thomas Mirow, sein jetziger Chef auch sein zukünftiger Chef sein wird. Die Abstimmung darüber, wer in den nächsten vier Jahren Präsident der Osteuropabank sein wird, ist geheim - und das Ergebnis offen.

Dabei kann sich die Bilanz von Thomas Mirow durchaus sehen lassen. Der deutsche Top-Banker hat die Bank in den letzten vier Jahren erfolgreich durch die Finanzkrise gesteuert, die Kreditvergabe stark erhöht und gleichzeitig die Top-Bewertung, das Triple A, durch die Ratingagenturen gehalten. Zusätzlich wurde das Mandat  auf Nordafrika und den Nahen Osten ausgedehnt, vorher war es auf Osteuropa und Zentralasien beschränkt. Doch nun will die eigene Regierung, die deutsche Bundesregierung, Mirow nicht zur Wiederwahl vorschlagen.

Bundesregierung kämpft nicht um das Präsidentenamt

Es scheint, dass die Ämtervergabe weniger mit Können als mit politischem Proporz zu tun hat. Denn das Präsidentenamt ist Teil eines Postenpakets. Die Deutschen haben mit Werner Hoyer seit Jahresbeginn die Chefposition bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) inne. Zwei Deutsche bei Förderbanken mit ähnlichen Aufgaben, das sei schwer durchsetzbar, sagen im politischen Ränkespiel erfahrene Experten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will anscheinend auch gar keinen Versuch unternehmen, Mirow im Amt zu halten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll Vorsitzender der Euro-Gruppe werden, das hat Priorität. Thomas Mirow aber kämpft um seinen Job. Im Vorfeld der Tagung empfängt er die Deutsche Welle im Auditorium, in dem ab Freitag die Anteilseigner zusammenkommen. Der Hanseat ist ein Mann der leisen Töne und kommt mit seiner zurückhaltenden, diplomatischen Art in Finanzkreisen gut an.

Thomas Mirow, Chef der EBRD, European Bank for reconstruction and Development. Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Copyright: EBRD Mai, 2012
Thomas Mirow - auch künftiger Chef der Osteuropabank?Bild: EBRD

Mirow gibt nicht auf

Doch in diesen Tagen hat er etwas von seiner Zurückhaltung abgelegt. Der Frust ist ihm deutlich anzumerken, denn seine Leistung als Präsident der Osteuropabank ist international anerkannt. Doch nun soll das nicht gelten. Dabei sieht Mirow schwierige Zeiten für Europa.

Wenn Griechenland seine Schulden nicht mehr bedienen kann und vielleicht sogar aus der Eurozone ausscheidet, kann das enorme Ansteckungsgefahren mit sich bringen", sagt Thomas Mirow. Zwar könne niemand voraussagen, was genau passieren werde, aber die Risiken für die Länder Ost- und Mitteleuropas seien groß. So haben sich beispielsweise griechische Banken stark in Bulgarien engagiert, was aber passiert, wenn das griechische Bankensystem kollabiert? Welche Auswirkungen hat das auf Bulgarien oder Rumänien? Mirow glaubt, dass die Bank künftig eine noch wichtigere Rolle spielen wird, um solche Risiken abzufedern. "Als ich mein Amt 2008 antrat, kämpften wir mit den Folgen der Finanzkrise. Jetzt haben wir eine europäische Schuldenkrise. Meine Erfahrung wird in dieser Situation gebraucht."

Das Ergebnis ist offen

Der 59-jährige Mirow verweist darauf, dass Russland und Bulgarien ihn für eine zweite Amtszeit vorgeschlagen haben. Auch andere hätten Unterstützung signalisiert, sagt er. Die Haltung der Bundesregierung will Mirow nicht kommentieren. Tatsache ist, dass einige Länder bereits eigene Kandidaten ins Gespräch gebracht haben. Dazu zählen Suma Chakrabati, britischer Justizstaatssekretär, der ehemalige polnische Ministerpräsident Krzysztof Bilecki, Bozidar Djelic, Ex-Vizepremier Serbiens und mit Philippe de Fontaine Vive Curtaz natürlich ein Franzose. Denn bisher hatte immer entweder ein Deutscher oder ein Franzose das Präsidentenamt inne.

Leider gerät die eigentliche Aufgabe der Bank, die wirtschaftliche Entwicklung und den Aufbau in den Ländern Ost- und Mitteleuropas zu fördern, bei diesem Postengeschacher aus dem Fokus. Thomas Mirow sagt, er möchte einfach seine Arbeit weiter machen und: "Deutschland ist in internationalen Top-Positionen keinesfalls überrepräsentiert. Eher ist das Gegenteil der Fall."

Die Bank steht vor großen Herausforderungen

Die nächsten vier Jahre werden eine echte Herausforderung für die Osteuropabank. Denn mit der Ausdehnung des Mandats auf Nordafrika und den Nahen Osten sollen neue ökonomische Strukturen in den Ländern des arabischen Frühlings gefördert werden. Doch wer ist dort überhaupt Ansprechpartner? Gibt es förderungsfähige Unternehmen oder Strukturen in Ländern wie Ägypten oder Tunesien? "In Tunesien ja", sagt Mirow im Gespräch mit der DW, "in Ägypten ist das schon schwieriger." Er möchte gerne dabei sein, wenn sich neben den politischen Prozessen auch die wirtschaftlichen Strukturen in diesen Ländern verändern.

Dennoch macht Mirow sich Gedanken über die Zeit danach, wenn er nicht wieder gewählt werden sollte. Zunächst würde er dann in seine Heimatstadt Hamburg zurückgehen, dort war er vor Jahren Senator. Vielleicht wird er als Berater oder Experte arbeiten. Auf die Frage, welche seiner beruflichen Stationen die wichtigste oder interessanteste war, antwortet er mit voller Leidenschaft: "Die Zeit als Assistent von Willy Brandt. Damals war ich sehr jung und hatte die einmalige Gelegenheit mit diesem großen Mann zusammen zu arbeiten." Mirows hanseatische Zurückhaltung gewinnt aber rasch wieder die Oberhand als er anfügt: "Natürlich hat jede berufliche Station eine besondere Bedeutung."