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Powells unsolide Quellen

Markus Wendler12. April 2004

Mobile Chemielabore Saddam Hussein waren ein Grund für den Irak-Krieg. Doch die Waffenfabriken hat es wohl nie gegeben. Das ist nicht nur für die USA peinlich: Die Information kam vom deutschen Geheimdienst BND.

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Phantasiebilder im Weltsicherheitsrat: mobile WaffenlaboreBild: AP

Selten hat eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates so viel Aufsehen erregt wie am 5. Februar 2003. Mit Tonbändern, Dias und einer Powerpoint-Präsentation legte Colin Powell seine "stichhaltigen Beweise" für das Waffenarsenal von Saddam Hussein vor. Besonders beunruhigend seien mobile Labore, so der US-Außenminister. Die Iraker hätten auf 18 Fahrzeugen Fabriken errichtet, mit denen jederzeit chemische und biologische Waffen hergestellt werden könnten. Detaillierte Fotos und Zeichnungen untermauerten die Ausführungen des Ministers. Zweifel ließ er nicht zu: "Dies sind keine Behauptungen", so Powell. "Was wir Ihnen sagen, basiert auf Fakten und Schlussfolgerungen aus solider Geheimdienstarbeit."

"Dramatische Informationen" waren erfunden

Vierzehn Monate später klingt das ganz anders. "Nun scheint es aber nicht so zu sein, dass die Angaben so solide waren", erklärte Colin Powell am 2. April 2004. Da die Informationen "dramatisch" gewesen seien, habe er sich zwar mehrfach abgesichert und auf unterschiedliche Quellen gestützt. Doch beim amerikanischen Geheimdienst CIA setzt sich die Erkenntnis durch, dass man einer fingierten Geschichte aufgesessen ist. Selbst Republikanische Abgeordnete sind entsetzt. Der "Los Angeles Times" sagte Pat Roberts, Vorsitzender des Ausschusses für Geheimdienste im Senat, die Angelegenheit sei "beschämend für alle, die auf diese Informationen zurückgegriffen hätten."

Fehlalarm kam aus Deutschland

Hauptquelle für die Information ist ausgerechnet Kriegsgegner Deutschland. Doch der Informant des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist offensichtlich ein Lügner. Der junge Iraker mit Codenamen "Curveball" kam 1998 nach Deutschland. Nach seinem Chemiestudium in Bagdad sei er vom Regime ausgewählt worden um die mobilen Labore mitzuentwickeln. Ausführlich schilderte er den Agenten Details des Programms und fertigte Zeichnungen der mobilen Laboratorien an. Medienberichten zufolge war jedoch alles erlogen. In Wirklichkeit habe "Curveball" im Auftrag Ahmed Tschalabis gehandelt - jenem Iraker, der mit den USA kooperiert und in seinem Land unbedingt einen Regimewechsel herbeiführen wollte. Heute gehört Tschalabi der von den USA eingesetzten Übergangsregierung im Irak an.

Kritik an Geheimdiensten

Derweil erweisen sich auch die drei anderen von Powell zitierten "soliden" Quellen als Luftnummern. Zwei Zeugen hätten von den mobilen Laboratorien lediglich gehört, diese aber nie gesehen, erklärte David Kay gegenüber der "Los Angeles Times". Die vierte Quelle gelte schon lange als "unzuverlässig", sagte der frühere Leiter der US-Waffeninspektionen .

Wie die brisanten Informationen nach Washington kamen, ist noch unklar. "Entweder hat der BND schlecht gearbeitet, oder die Regierung hat die Informationen des BND auf eine Art und Weise weitergegeben, die fahrlässig war", so der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger im "Spiegel" (5.4.04). Nur der Schuldige steht für den Oppositionspolitiker schon fest: in jedem Fall trage die Regierung "die volle politische Verantwortung".