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Prädikat: Erhaltenswert

30. Juli 2002

Als 1998 das Amt des Kulturstaatsministers geschaffen wurde, zeigten sich Kulturschaffende skeptisch, die Länder misstrauisch und die Opposition kritisch. Vier Jahre später möchte dieses Amt niemand mehr missen.

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In guten Händen: der Kanzler und seine KulturstaatssekretäreBild: AP

Bis 1998 führte die Kulturpolitik auf Bundesebene ein kümmerliches Dasein. Dann kam Gerhard Schröder - und wollte nicht nur der Auto-Kanzler sein. Kultur- und Medienpolitik sollten unter seiner Ägide einen höheren Stellenwert bekommen, das neu geschaffene Amt des Kulturstaatsministers als "Impulsgeber und Ansprechpartner für die Kulturpolitik des Bundes" auch auf internationaler Ebene tätig sein. In sein Portfolio gehört mit der Deutschen Welle zudem der deutsche Auslandsrundfunk.

Eine Behörde mit 190 Mitarbeitern wurde geschaffen, an deren Spitze mit Michael Naumann (links im Bild) ein Duz-Freund des Kanzlers bestellt. Der damals 58-jährige ehemalige Verleger schnürte sogleich ein Reformpaket von beachtlichem Umfang: Film-, Oper- und Theater-Förderung, internationale Kulturarbeit und Auslandsrundfunk sollten umorganisiert werden, zudem setzte er sich für die Errichtung des Holocaust-Mahnmals ein und bemühte sich um die Rückführung so genannter Beutekunst aus Russland und Polen nach Deutschland.

Quereinsteiger mit Problemen in puncto Diplomatie

Mit seinem Feuereifer machte Naumann sich keineswegs nur Freunde, zumal Diplomatie nicht unbedingt zu den Stärken des Quereinsteigers in die Politik zählte. Indem er sich für mehr Bundeskompetenzen einsetzte und die verfassungsgemäße Kulturhoheit der Länder als "barock" bezeichnete, brach er ein Tabu: Die Länder protestierten und pochten auf ihre eigenen Zuständigkeiten. Naumann trat mitten in der Legislaturperiode zurück, um als Herausgeber zur Wochenzeitung "Die Zeit" zu wechseln. Man munkelte allgemein von Amtsmüdigkeit ob des ständigen Zanks um Kompetenzen.

Durchsetzung einer 30 Jahre alten Idee

Als Nachfolger trat Januar 2001 Julian Nida-Rümelin an. Der Philosophieprofessor und vormalige Kulturreferent der Stadt München bewies deutlich mehr Geschick im Umgang mit den föderalen Befindlichkeiten. Er scheint gar nicht oft genug betonen zu können, dass die Kultur in der gemeinsamen Verantwortung der drei staatlichen Ebenen Bund, Länder und Kommunen liege. Eine Formel, die ihre Wirkung tut: Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken der Länder gelang es ihm, die Gründung einer Bundeskulturstiftung in Halle durchzusetzen - eine Idee, die schon vor 30 Jahren Günther Grass und der damalige Kanzler Willy Brandt entwickelt hatten. Im März 2002 nahm die Stiftung in Halle an der Saale ihre Arbeit auf. Die angestrebte Fusion mit der Kulturstiftung der Länder scheiterte bisher allerdings.

Dafür konnte Nida-Rümelin, der in diesem Jahr einen Etat von 967 Millionen Euro verwaltet, bei einer ganzen Reihe von anderen Projekten weitere Erfolge verbuchen: Reformen der Urheber-, Stiftungs- und Spendenrechte wurden auf den Weg gebracht, die Buchpreisbindung gesetzlich verankert, die Filmförderung deutlich besser ausgestattet und nicht zuletzt die Finanzhilfe für die chronisch klamme Hauptstadt Berlin annähernd verdoppelt.

Parteienzank trotz Erfolgsbilanz

Die Parteien scheinen von dieser Erfolgsbilanz beeindruckt. Selbst die bei der Einführung des Amtes so kritische Opposition denkt bei einem eventuellen Wahlsieg nun nicht mehr an eine Abschaffung. Streit um die Zukunft der Bundeskultur gibt es in Wahlkampfzeiten natürlich trotzdem: Die Grünen plädierten durch Antje Vollmer in dieser Woche für ein eigenes Bundeskulturministerium, die CSU lehnt dies mit Hinweis auf die Verfassungslage kategorisch ab. ap/(sam)