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Chronik einer schwierigen Beziehung

Christoph Hasselbach7. Oktober 2008

Egal, wer die US-Präsidentschaftswahl im November gewinnen wird – die Beziehungen zwischen Washington und Brüssel werden sich auf jeden Fall verbessern. Denn unter George W. Bush waren sie so schlecht wie nie zuvor.

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Bush und Barroso vor amerikanischen und Europa-Flaggen (Quelle: AP Photo/Yves Logghe)
US-Präsident George W. Bush im Februar 2005 in Brüssel mit EU-Kommissionspräsident José Manuel BarrosoBild: AP

George W. Bush ist im September 2001 erst ein gutes halbes Jahr im Amt, da stellen die Anschläge auf New York und Washington das Land auf eine der härtesten Proben seit Jahrzehnten. Jede Nation müsse sich jetzt entscheiden, sagt Bush, auf wessen Seite sie stehe: "Entweder Sie sind auf unserer Seite, oder Sie sind auf der Seite der Terroristen." Und diese Einteilung in Freund und Feind bestimmt die US-Außenpolitik über Jahre, auch die Beziehungen zur EU.

Deutsch-französische Einigkeit

Jacques Chirac und Gerhard Schröder (Quelle: AP Photo/Markus Schreiber)
Der französische Präsident Jaques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2003Bild: AP

Im Streit um den Irakkrieg kommt es 2003 zu einem schweren Bruch. Der verläuft zwischen den USA und wichtigen europäischen Partnern, aber auch innerhalb der EU. Es sei nicht das Ergebnis seiner Politik, dass Europa gespalten sei, sagt der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder Anfang 2003 dazu. "Sie wissen, dass in der Irakfrage 15 europäische Außenminister, dabei auch unserer, eine gemeinsame europäische Politik beschlossen hatten."

Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac – parteipolitisch und persönlich sind sie sich fremd, doch in der Irakfrage finden sie eine gemeinsame Linie gegen Bush. "In diesem Zusammenhang sehen wir keinerlei Grund, unsere Logik zu ändern, die eine Logik des Friedens ist, und auf eine Logik des Krieges umzuschwenken", sagt Chirac damals.

Irak-Konflikt spaltet die NATO

Innerhalb der NATO vertieft Bushs Verteidigungsminister Donald Rumsfeld das Zerwürfnis noch und prägt den Begriff vom "alten Europa". Wenn er an Europa denke, dann nicht an Deutschland und Frankreich. "Ich finde, das ist das alte Europa", so Rumsfeld. Bei der Betrachtung des gesamten NATO-Europas verschiebe sich das Gravitationszentrum Richtung Osten.

Die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak werden nie gefunden. Als 2004 Videos von Misshandlungen irakischer Gefangener im Lager Abu Ghoreib auftauchen, scheint Bush in Europa völlig diskreditiert.

Politische Annäherung

Doch der Tiefpunkt befördert zugleich eine alte Erkenntnis: Weder die Vereinigten Staaten, noch Europa seien in der Lage, die weltweiten Aufgaben alleine zu bewältigen, betont EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Anfang 2005. "Also lassen Sie uns miteinander reden, denn die Grundwerte sind die gleichen."

Demonstranten in Kassel tragen ein Banner mit der Aufschrift "Wir pfeifen auf Bush" (Quelle: dpa)
"Wir pfeifen auf Bush": Anti-Bush-Demo im Februar 2005 in KasselBild: dpa

Bush fährt im Februar 2005 kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit sogar in die Höhle des Löwen, in die EU-Hauptstadt Brüssel, und versucht einzulenken: "Amerika unterstützt ein starkes Europa, denn wir brauchen einen starken Partner bei der schweren Aufgabe, Freiheit und Frieden in der Welt voranzubringen." Was klar als Versöhnungsgeste gedacht ist, erhält Applaus von offizieller Seite. Doch die Bevölkerung Europas hat Bush damit noch lange nicht gewonnen. Noch immer kommt es in vielen EU-Mitgliedsländern zu Protestkundgebungen, wenn der US-Präsident zu Besuch ist.

Entspannung unter einem neuen Präsidenten?

Obama winkt jubelnden Menschen in Berlin zu (Quelle: AP)
Umjubelter Barack Obama bei seiner Rede an der Siegessäule in BerlinBild: AP

Heute, im Herbst 2008, ist Bush aber ebenso wenig noch ein großes Thema in Europa wie der Irak. Das Interesse gilt vor allem der Finanzkrise und dem möglichen Nachfolger Bushs. Am 4. November müssen sich die Amerikaner zwischen dem Demokraten Barack Obama und dem Republikaner John McCain entscheiden. Wenn die Europäer wählen könnten, wen hätten sie lieber? Fabian Zuleeg vom European Policy Centre, einem unabhängigen Think Tank in Brüssel, ist sich sicher, dass sowohl in der Bevölkerung als auch bei den Politikern Obama generell positiver empfunden werde. "Bei seinem Besuch in Berlin hat man gesehen, dass die Bevölkerung bereit ist, sich der Begeisterung, die in Amerika da ist, anzuschließen."

Doch Bush macht es seinen Kritikern auch leicht. Er taugt wohl besonders gut als Projektionsfläche für antiamerikanische Empfindungen. Zuleeg glaubt, die Europäer würden es mit dem Nachfolger nicht unbedingt leichter haben – egal ob McCain oder Obama: "Gerade in der Wirtschafts- und in der Außenpolitik sind immer noch große Unterschiede da." So könne beispielsweise der Druck auf die Europäer wachsen, sich in Afghanistan stärker zu beteiligen. Der Vorteil von Obama oder McCain, so Zuleeg weiter, sei einfach, dass auf amerikanischer Seite mehr Kooperationswilligkeit vorhanden sei.