1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Präsident Bush und die umstrittenen Lauschangriffe

Daniel Scheschkewitz, Washington21. Dezember 2005

Seit drei Jahren belauscht ein amerikanischer Geheimdienst auf Anordnung Präsident Bushs amerikanische Staatsbürger mit Auslandskontakten. Der Verdacht: Sie könnten wichtige Informationen für den Anti-Terror-Kampf haben.

https://p.dw.com/p/7g2u
Fühlt sich im Recht: George W. BushBild: AP

Das Vorgehen, das in der vergangenen Woche von der "New York Times“ aufgedeckt worden war, hat in den USA eine heftige Kontroverse ausgelöst. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob Präsident Bushs Vorgehen vom Recht gedeckt ist. Im Zentrum der Kontroverse stehen zwei Gesetze. Das erste wurde schon im Jahr 1978 verabschiedet. Der "Foreign Intelligence Surveillance Act" , oder kurz FISA, setzt der Inlandsspionage enge Grenzen. Das Gesetz wurde erlassen, nachdem in der Watergate-Affäre der damalige Präsident Nixon illegal Telefonate hatte abhören lassen. Das zweite Gesetz wurde vom US-Kongress im Jahr 2001 nach den Terroranschlägen des 11. Septembers verabschiedet. Es gibt dem Präsidenten weitgehende Vollmachten, um im Zuge der Terrorismusbekämpfung gegen Staaten, Institutionen oder einzelne Personen vorgehen zu können. Auf dieser Gesetzesgrundlage ruhte der US-Militäreinsatz zur Beseitigung des Talibanregimes in Afghanistan und auf dieses Gesetz beruft sich Präsident Bush jetzt auch bei den umstrittenen Lauschangriffen. "Habe ich die rechtliche Möglichkeit dies anzuordnen? Ja, natürlich", erklärte Bush Anfang der Woche.

Rückkehr zur bisherigen Rechtspraxis

Symbolfoto Telefonüberwachung
Wer hört mit?Bild: dpa - Report

Weitgehend unumstritten ist, dass mit dem Gesetz der US-Kongress dem Präsidenten Sondervollmachten gegeben hatte, die sich aus einer unmittelbaren Bedrohungssituation herleiten. Zum Bespiel, wenn Personen in Verdacht geraten, an einer gegen die USA gerichteten terroristischen Verschwörung beteiligt zu sein. Doch die Terroranschläge liegen nun schon über vier Jahre zurück und damit wird für Fred Hitz, Rechtsprofesor an der Universität von Virgina und ehemaliger CIA-Beamter, das aktuelle Vorgehen von Präsident Bush problematisch: "Die Sondervollmachten ergeben sich aus der aktuellen Bedrohungslage, wenn man nicht weiß, was einen erwartet. Doch nach einigen Jahren, in denen es – Gott sei Dank – keine Terroranschläge mehr von diesem Ausmaß gegeben hat, möchte man doch wieder zu der bisherigen Rechtspraxis zurückkehren."

Die aber besagte eindeutig, dass sich die Regierung für Abhöraktionen im Inland einen richterlichen Haftbefehl besorgen muss, der von einem geheimen Sondergericht, dem "Foreign Intelligence Surveillance Court" erteilt werden kann, wenn Gefahr im Verzuge ist. Doch bei den jetzt bekannt gewordenen Aktionen wurde auch diese Instanz umgangen. Steht der US-Präsident also im Zeitalter der terroristischen Bedrohung über allen Gesetzen? Bush selbst meint, nein: "Zunächst einmal haben wir Politiker geschworen, uns an die Gesetze zu halten. Dann gibt es die Aufsicht durch den US-Kongress. Wir stehen doch ständig mit dem Kongress in Verbindung“, erklärt der US-Präsident.

Geheime Information

Kongressabgeordnete wurden zwar über den geheimen Lauschangriff informiert, aber weil er geheim war, durften sie nicht darüber reden. Außerdem fragt man sich jetzt, ob man bei der Autorisierung des Präsidenten durch das 2001-Gesetz nicht zu weit gegangen ist? "Mit der Erteilung dieser Vollmacht haben sie unabsichtlich den Präsidenten von seiner rechtsstaatlichen Verpflichtungen befreit", sagt John Pike, Herausgeber des Internet-Informationsdienstes "GlobalSecurity". Im Grunde genommen sei ihm bedeutet worden, er könne in der Terrorismusbekämpfung machen, was er wolle, ganz gleich, welche Gesetze gelten oder wie der "Supreme Court" in der Vergangenheit das Recht interpretiert habe.

Die Bush-Regierung hat mit dem Krieg gegen den Terror eine ganze Reihe von Ausnahmeregelungen begründet. Von den Militärtribunalen in Guantanamo bis hin zu der umstrittenen Auslieferungspraxis von mutmaßlichen Terroristen an so genannte Drittstaaten. Manche dieser Ausnahmen wurden von den US-Gerichten aufrecht erhalten, andere nicht. In der Frage der Lauschangriffe steht die juristische Klärung noch aus.