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Putin als Satire-Star

2. März 2012

Noch nie zuvor wurde der russische Präsidentschaftskandidat so durch den Kakao gezogen wie in den vergangenen Monaten. Parodie und Witz prägen den Wahlkampf - vor allem in den sozialen Netzwerken im Internet.

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Screenshot aus einem Parodie-Video, das Wladimir Putin hinter Gittern zeigt (Foto: youtube)
Bild: Screenshot Youtube

In Russland interessieren sich die Menschen wieder für Politik. Das ist spätestens seit Dezember 2011 klar. Die friedlichen Proteste gegen Fälschungen bei der Wahl zur Staatsduma wurden zu einem Katalysator für neue Formen der politischen Betätigung: Witz und Satire.

In der russischen Stadt Barnaul beispielsweise umgingen die Menschen auf kreative Weise ein Demonstrationsverbot: Sie stellten Spielzeugfiguren mit Spruchbändern auf die Straße. Die Miliz musste Puppen statt Menschen aus dem Weg räumen. "Positiv an dieser Entwicklung ist, dass Humor an die Stelle von Verbitterung tritt", sagte der bekannte russische Satiriker Wiktor Schenderowitsch im Gespräch mit der DW.

In Barnaul wurden Spielzeugpuppen für eine Demonstration für faire Wahlen aufgestellt (Foto: DW)
Puppen "demonstrieren" in Barnaul für faire WahlenBild: Ivan Krupchik

Karikaturen und Video-Clips gegen Putin

Vor allem im Internet werden humoristische Videos mit politischem Inhalt verbreitet. "Gerichtsprozess gegen Herrn Putin" heißt ein solcher Clip, der Putin anstelle des inhaftierten Ex-Ölmanagers Michail Chodorkowski in einem Käfig vor Gericht zeigt. Ein anderes Video enthält eine ganze Sammlung von Wahlversprechen, die Putin als Präsident und Premier in den letzten zwölf Jahren gegeben, aber nicht gehalten hat. Solche Clips werden millionenfach angeklickt.

Auch Karikaturen sind beliebt. Da ist der Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin mal als Napoleon, mal als einer der vielen russischen Nationalhelden zu sehen, die der Kreml gerne zu Propagandazwecken nutzt. Die Liste dieser Karikaturen ist schier endlos.

Die Welle der Kreativität hat auch Künstlerkreise erfasst. So führen beispielsweise Schauspieler des unabhängigen Moskauer "teatr.doc" ein bitterböses Stück namens "BerlusPutin" auf. Dabei handelt es sich um eine spezielle russische Adaption eines Werks des italienischen Dramatikers und Nobelpreisträgers Dario Fo. Der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi besucht Putin und jammert über seine Absetzung. Plötzlich passiert ein Terroranschlag. Putin wird schwer am Kopf verwundet. Um sein Leben zu retten, setzen ihm Chirurgen Berlusconis rechte Gehirnhälfte ein. Das Ergebnis ist "BerlusPutin". Der kann sich an nichts mehr erinnern und versteht das Leben im heutigen Russland nicht mehr.

Mehrere Tausend Menschen versammelten sich am 24.12.11 in Moskau. Sie Protestierten gegen Wladimir Putin und Wahlbetrug; Copyright: DW/Egor Winogradow
Markige Sprüche: "Putins Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen"Bild: DW/Egor Winogradow

Schlagabtausch mit Humor

Selbst die staatlichen Medien werden kreativ. Die russische Nachrichtenagentur "RIA Novosti" veröffentlichte vor den Wahlen Comics mit Biographien der Präsidentschaftskandidaten.

Die Anhänger des russischen Premiers wollen den Putin-Satiren nicht tatenlos zu sehen. Sie nutzen ebenfalls vor allem das Internet und verbreiten in zahlreichen Videoclips die Botschaft: Ohne Putin würde das Leben in Russland zusammenbrechen.

Auch auf Demonstrationen liefern sich Putin-Anhänger und -Gegner einen lebhaften Schlagabtausch. Und das immer mit einer gehörigen Portion Humor, berichtet der Satiriker Wiktor Schenderowitsch. So stand auf einem Plakat von Putin-Gegnern: "Wir wissen, dass Du Lust auf ein drittes Mal hast, aber wir haben Kopfschmerzen." Die Reaktion der Putin-Anhänger darauf lautete: "Drei Mal ist für einen echten Kerl normal."

Putin als Auslöser der Satire-Welle?

Beobachter in Russland meinen, Putin selbst habe die Satiren provoziert. Er hatte nämlich im russischen Fernsehen die Teilnehmer der ersten Protestkundgebung Anfang Dezember 2011 mit den Banderlogs, den Paria-Affen aus Kiplings "Dschungelbuch" verglichen. "Kommt zu mir Banderlogs!", rief Putin unter Anspielung auf die Schlange Kaa, die die Affen hypnotisiert. Das Symbol der Demonstranten, ein weißes Bändchen, bezeichnete er abfällig als "Präservativ". Schenderowitsch glaubt nicht, dass Putin gezielt satirisch reagieren wollte. Er habe in der Fernseh-Fragestunde einfach schlicht die Fassung verloren, vermutet er.

Der diesjährige Präsidentschaftswahlkampf ist also geprägt von Witzen über den Mann, der zwischen 2000 und 2008 zwei Amtszeiten als Präsident absolvierte und nach der Wahl am 4. März wieder als Staatsoberhaupt in den Kreml einziehen will. Ernsthafte politische Inhalte spielten kaum eine Rolle.

Aktivisten verteilen bei den Demos in Russland weiße Bänder (Foto: Geert Groot Koerkamp)
Aktivisten verteilen weiße Bänder an DemonstrantenBild: DW/Geert Groot Koerkamp

Und Schenderowitsch geht davon aus, dass auch nach den Wahlen die Kreativität des Protests nicht abflachen wird. "Die Zahnpasta bekommt man nicht wieder in die Tube hinein", sagt der Satiriker. Aber Witz und Kreativität seien kein Ersatz für eine politische Konsolidierung. Und das sei in Russland das Problem.

Autoren: Mikhail Bushuev
Redaktion: Bernd Johann