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Präventiv-Krieg ante portas?

Daniel Scheschkewitz28. August 2002

Die Rede des US-Vizepräsidenten Dick Cheney war gegen die Kritiker im eigenen Lager gerichtet, meint Daniel Scheschkewitz in seinem Kommentar.

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In Wahlkampfzeiten wird manches überinterpretiert. Erst Recht, wenn es um so wichtige Dinge wie Krieg und Frieden geht. Die Rede von US-Vizepräsident Dick Cheney gilt besorgten Gemütern als weiterer Beleg dafür, dass ein Präventivkrieg der USA gegen den Irak unmittelbar bevorstehen könnte. Dabei hat Cheney nichts gesagt, was Präsident George W. Bush und andere Mitglieder seiner Administration nicht schon anderweitig geäußert hätten: Dass Saddam Hussein ein gefährlicher Mann ist, dass sein Regime versucht, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen und dass es töricht wäre, solange zu warten, bis er über diese auch tatsächlich verfügt. Alles nichts Neues, ebenso wenig wie die Bush-Doktrin, dass in Zeiten der terroristischen Bedrohung auch Präventivschläge gegen mutmaßliche Feinde der USA und ihrer Verbündeten gerechtfertigt seien.

Bemerkenswerter als ihr Inhalt war der Zeitpunkt der Rede, denn Cheney vertritt als Vizepräsident natürlich die Position seines Chefs. Erst am vergangenen Wochenende hatte mit dem früheren Außenminister James Baker ein angesehener "elder statesman" der Republikaner und Vertrauter von Bushs Vater aus Golfkriegstagen vor einem amerikanischen Alleingang im Irak gewarnt. Er reihte sich damit ein in die prominente Schar von Kritikern, die vom früheren Sicherheitsberater Brent Scowcroft über den Ex-Außenminister Lawrence Eagleburger bis hin zum republikanischen Rechtausleger Chuck Hagel reicht. Sie alle warnen vor den Konsequenzen einer diplomatisch und militärisch nicht hinreichend vorbereiteten Invasion.

Bush unter Zugzwang

Hinzu kommt, dass seit den Anhörungen im Senat auch in der amerikanischen Öffentlichkeit die Zustimmung für einen Präventivkrieg gegen den Irak schwindet - nur noch gut die Hälfte der US-Bürger befürworten derzeit eine solche Invasion, während es im November noch fast zwei Drittel waren. Nicht zu vergessen die Phalanx der Verbündeten, die von Kanzler Gerhard Schröder bis zu den Verbündeten im arabischen Lager reicht.

Von daher musste Bush, wenn er sich die militärische Option offen halten will, jetzt reagieren. Mit Cheney hat er seinen politisch hochrangigsten Vertreter und wichtigsten Berater im Weißen Haus vorgeschickt. Nur so konnte er dem Eindruck begegnen, die US-Regierung habe sich von der Kritik über Gebühr beeindrucken lassen. Dass aber wäre das falsche Signal in Richtung Bagdad. Saddam Hussein könnte sich als moralischer Sieger einer bislang nur psychologischen Kriegsführung fühlen und hätte sich damit tatsächlich die Luft zu atmen verschafft, die es ihm erlauben würde, unbehelligt von Waffeninspektoren die eigenen Aggressionspläne voranzutreiben.

Beweise gehen vor

Dass er diese tatsächlich hegt, sind wir alle geneigt zu glauben. Bevor dies jedoch die USA zu einem Präventivkrieg berechtigt, muss das Weiße Haus eindeutige Beweise vorlegen. Oder doch zumindest UN-Waffeninspekteuren ein neues Mandat verschaffen, damit sich diese vom Gegenteil überzeugen können, wenn Saddam Hussein sie ins Land lässt, wofür derzeit vieles spricht. Unterdessen werden im Weißen Haus die Kriegstrommeln weiter geschlagen werden - egal ob dies nun ein deutsches Wahlkampfecho bewirkt oder nicht.