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Prager Ex-Regierungschef kritisiert EU-Integration

11. Dezember 2001

- Europa-skeptische Rede von Vaclav Klaus in Brüssel sorgt für Zündstoff in tschechischer Politik

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Köln, 10.12.2001, RADIO PRAG

RADIO PRAG, deutsch, 9.12.2001

Nach der Freiheitsunion hat am Samstag (8.12.) auch der Exekutivausschuss der regierenden Sozialdemokraten, CSSD, den Vorsitzenden des tschechischen Abgeordnetenhauses und der Oppositionspartei ODS, Vaclav Klaus, scharf kritisiert. Klaus hatte kürzlich vor dem Europäischen Parlament in Brüssel eine tiefere Vernetzung der EU entschieden abgelehnt. CSSD-Chef Vladimir Spidla erklärte gegenüber Journalisten, Klaus stehe für eine Politik der Vergangenheit, deren Konzepte eher ins Jahr 1848 bzw. in eine Zeit vor der Einführung einer sozialen Gesetzgebung passten. Laut der Freiheitsunion propagiere die Bürgerdemokratische Partei ODS eine Politik der Beendigung der europäischen Integration. So hieß es in einer am Samstag (8.12.) veröffentlichten Reaktion des Nationalausschusses der Freiheitsunion auf die Äußerungen des ODS-Vorsitzenden Vaclav Klaus im Europäischen Parlament. (ykk)

RADIO PRAG, deutsch, 8.12.2001

Das tschechische Abgeordnetenhaus hat am Freitag (7.12.) nach einer mehrstündigen emotional geführten Diskussion mit knapper Mehrheit die Erklärung seines Vorsitzenden Vaclav Klaus akzeptiert, die dieser zu seinem Auftreten in Brüssel abgegeben hatte. Klaus hatte sich am Mittwoch (5.12.) vor dem Europäischen Parlament vehement gegen eine Stärkung europäischer Institutionen und für eine Förderung nationaler Einrichtungen ausgesprochen und war damit in Tschechien auf Kritik gestoßen. Zahlreiche Politiker warfen ihm vor, dem außenpolitischen Ansehen des Landes geschadet zu haben. Mit großer Mehrheit verabschiedete das Abgeordnetenhaus am Freitag (7.12.) eine Erklärung, nach der der EU-Beitritt weiter Priorität für Tschechiens Außenpolitik hat. In der Debatte hatte Klaus seinen Kritikern vorgeworfen, die EU-skeptischen Passagen seiner Rede unnötig zu dramatisieren und einen "Sturm im Wasserglas" zu entfachen. Außenminister Jan Kavan war wegen der Debatte im Abgeordnetenhaus am Freitag vorzeitig von der Tagung der NATO-Außenminister aus Brüssel zurückgekehrt. (ykk)

RADIO PRAG, deutsch, 7.12.2001

(...) Vaclav Klaus, als einer der parlamentarischen Vertreter aus den EU-Kandidatenländern zu einer Sitzung des Europa-Parlaments eingeladen, nutzte in Brüssel (5.12.) die Gunst der Stunde, um seine bekanntermaßen skeptische Sichtweise zur europäischen Integration in einer Rede darzustellen. Klaus sprach dabei unter anderem davon, dass die nächste EU-Konferenz die "schleichende, stille Vereinigung des Kontinents stoppen sollte" und auch davon, dass die Bedeutung der nationalen Parlamente aufrecht erhalten werden sollte im Gegensatz zur "automatischen Stärkung" des Europa-Parlaments. Klaus fügte jedoch auch an, dass er sich keinesfalls gegen die EU-Erweiterung ausspreche, sondern gegen die Logik, auf die sich die bisherige Integration gestützt habe.

Dennoch, Klaus hat in Brüssel an einem Pulverfass gezündelt, und augenscheinlich nicht die mehrheitliche Meinung der tschechischen Parlamentarier, sondern seine eigene oder aber die Meinung seiner ODS-Partei widergegeben. Und diese Tatsache stieß auf große Kritik unter der Mehrheit der hiesigen Politiker. Präsident Vaclav Havel hat noch am Donnerstag (6.12.) in einem Schreiben die Abgeordnetenkammer in Prag zur Stellungnahme aufgefordert, ob der Oppositionspolitiker im Namen des Unterhauses gesprochen habe oder nicht. Diese Frage soll durch die Anhörung von Klaus am kommenden Mittwoch (12.12.) geklärt werden.

Einige Politiker sehen jedoch bereits jetzt die Darstellung der Tschechischen Republik in der Europäischen Union in ein schiefes Licht gerückt. Deshalb stellte Außenminister Jan Kavan klar, dass Klaus in seiner Rede nicht die Meinung einer Reihe der tschechischen Parlamentsparteien und ebenso nicht die der gesamten sozialdemokratischen Regierung vertreten habe. Und beschwörend fügte er hinzu, dass es unangenehm wäre, wenn man nun begänne, die Tschechische Republik als ein Land wahrzunehmen, in dem die Legislative und der Staat als ein Bremsklotz des europäischen Integrationsprozesses angesehen würden.

Premier Milos Zeman entgegnete dem beschwichtigend, dass man die Äußerungen von Klaus auch so interpretieren könne, dass die Tschechische Republik eine pluralistische Gesellschaft mit unterschiedlichen Meinungen sei. (...) (ykk)