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"Das Gegenteil der politischen Korrektheit"

11. November 2015

Der Tod Helmut Schmidts beschäftigte viele Leitartikler der internationalen Medien. Eine Presseschau:

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Deutschland F.A.Z.-Kampagne - Helmut Schmidt
Bild: picture-alliance/dpa/FAZ/Scholz & Friends/J. Kudica

New York Times (USA)

"Schmidts Lebensgeschichte zeichnete praktisch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts nach. Er wurde als Sohn der Hamburger Arbeiterklasse nach der erniedrigenden Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg geboren. Er erlebte den Aufstieg der Nationalsozialisten, trat der Hitlerjugend bei, und diente in Hitlers

Wehrmacht - wobei er seinen jüdischen Großvater nicht erwähnte - um dann auf der politischen Bühne zu erscheinen, als Deutschland nach dem Krieg geteilt war."

Washington Post (USA)

"Obwohl die Bundesrepublik in ihren frühen Jahren mit Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Willy Brandt drei weltweit geachtete Kanzler hatte, war es Schmidt, der vielerorts als der fähigste Kanzler galt. Er verkörperte die Wandlung Westdeutschlands auf dem Wege zu einer durchsetzungsstarken, selbstbewussten und unabhängigen Politik.

Le Monde» (Frankreich)

"Helmut Schmidt war ein Visionär in der Wirklichkeit. (...) Von allen französisch-deutschen Paaren war das des ehemaligen Kanzlers mit dem früheren Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing das aufrichtigste."

Le Figaro (Frankreich)

"Er wurde geliebt, geachtet und manchmal sogar für den wichtigsten Kanzler der Nachkriegszeit gehalten. (...) Mit ihm herrschte die Vernunft über die Leidenschaft. (...) Er war die Inkarnation der Realpolitik."

Rossijskaja Gaseta (Russland)

"Es fällt schwer, über Helmut Schmidt zu schreiben, wenn er nicht mehr da ist. (...) Noch vor kurzem hat Deutschland, den Atem anhaltend, seinen Worten gelauscht und seine neuen Bücher erwartet. Schmidt war das Symbol und Gewissen der Nation, der Kriegs- und der Nachkriegsgeneration der Bundesrepublik. Er war das Metronom, anhand dessen, das kann man sagen, Deutschland seine Schritte maß."

Nepszabadsag (Ungarn)

"Deutschland und Europa haben einen der großformatigsten Politiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verloren. Einen Sozialdemokraten, einen echten Staatsmann, den man in der Bundesrepublik als den «Weisen der deutschen Politik» betrachtete. (...) So wie er sich selbst nicht schonte (...), so fasste er auch seine politischen Nachfolger nicht mit Glacéhandschuhen an."

Lidove noviny (Tschechien)

"Das Wort Legende wird nach dem Tod vieler Staatsmänner gebraucht, aber bei Helmut Schmidt gibt es dafür gute Gründe. Zum Jahrgang 1918 gehörend, war er eine lebende Chronik des 20. Jahrhunderts. (...) Als Kanzler wurde er zu einem Symbol Westdeutschlands, das für uns in der sozialistischen Tschechoslowakei die Verkörperung aller unserer Sehnsüchte war."

The Guardian (Großbritannien)

"Schmidt war nicht nur hervorragend in der Kunst der Politik und Staatsführung; er wusste das auch, und er stellte sicher, dass dies jedermann bewusst wurde. (...) Er leugnete jedes Verlangen nach Macht und Wohlstand, gierte aber nach öffentlicher Anerkennung."

El Mundo (Spanien)

"Helmut Schmidt - der Kanzler, der Europa stärkte. Er setzte die - von Willy Brandt eingeleitete - Politik der Entspannung mit der Sowjetunion fort und trieb den Aufbau des Europäischen Währungssystems voran. Er hinterlässt in seinem Land eine Lücke, die nicht zu schließen ist."

La Repubblica (Italien)

"Wenn Willy Brandt Deutschland dazu gebracht hatte, Frieden mit der Welt zu machen, war Helmut Schmidt der sozialdemokratische Kanzler, der sein Land in die wirtschaftliche Führungsmacht Europas verwandelte. Ihm ist faktisch die Erfindung des von ihm selbst so bezeichneten 'Modells Deutschland' zuzuschreiben."

"Aftenposten" (Norwegen)

Bei einigen Menschen hat man das Gefühl, dass sie ewig leben, dass sie schon immer hier gewesen sind und immer hier sein werden. So war das mit Helmut Schmidt. Der ehemalige Bundeskanzler (...) hatte eine einzigartige Position in der deutschen Gesellschaft: pragmatischer Weiser, begabter Redner und leidenschaftlicher Raucher."

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

"Seine große Beliebtheit auch bei Deutschen, die ihn nie oder nur als Kinder als Bundeskanzler erlebt hatten, verdankte Schmidt gerade seiner unverblümten Art. Er war, nicht nur als Kettenraucher ohne Rücksicht auf Rauchverbote, das personifizierte Gegenteil der politischen Korrektheit und erfüllte so die Sehnsucht der Öffentlichkeit nach dem ehrlichen, unbequemen und durchaus autoritären Staatsmann."

Tages-Anzeiger (Schweiz)

"Auf dem Höhepunkt seines Erfolges galt Schmidt als 'Weltökonom', der den weniger kompetenten Kollegen, auch wenn sie mächtigeren Staaten vorstanden, regelrechte Vorlesungen über Volkswirtschaft und Militärstrategie zu halten pflegte. Tatsächlich war Schmidt als studierter Nationalökonom der für sein Amt am besten ausgebildete Regierungschef, den Deutschland jemals hatte."

Die Presse (Österreich)

"Er war der Methusalem der deutschen Politik, und längst war Helmut Schmidt gerade für eine jüngere Generation trotz seines mitunter schroffen Tons zu einer Kultfigur avanciert. Da erhob sich einer eigenmächtig und kraft seiner Autorität über die Gesetze politischer Korrektheit."

NRC Handelsblad (Niederlande)

"Der intellektuelle Schmidt war als Kulturmensch allen Bundeskanzlern der Nachkriegszeit überlegen. Und er trat als Kanzler fähig und tatkräftig auf."

De Volkskrant (Niederlande)

"Seine offene Eitelkeit, große Schnauze und sein Mangel an politischer Korrektheit waren in den 50er und 60er Jahren in der deutschen Politik selten. Dass er später gerade für diese Eigenschaften geschätzt wurde, sagt viel über die Veränderung aus, die sich während der 96 Lebensjahre von Schmidt in der deutschen Gesellschaft vollzogen hat. Außerdem entpuppte sich ausgerechnet der Mann, der einst weit entfernt von Visionen war, rückwirkend als Visionär."

mm/mk (dpa)