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Pragmatismus im Nahostkonflikt

Peter Philipp3. November 2003

Israels Premier Ariel Scharon gibt sich gesprächsbereit und reist zunächst nach Moskau, Achmed Kureia bleibt unverhofft im Amt und palästinensische Arbeiter dürfen wieder nach Israel. Peter Philipp analysiert.

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Ahmed Kureia: Vom Notnagel zum Verhandlungspartner Scharons?Bild: AP

Eigentlich hatte der palästinensische Ministerpräsident Achmed Kureia ja angekündigt, er werde sein Amt mit Ablauf der einmonatigen Frist aufgeben, für die Palästinenser-Präsident Yassir Arafat ihn eingesetzt hatte. Aber der Monat ist um und Kureia (Abu Ala) wird wohl weiter machen. Und das, obwohl sich grundsätzlich nicht viel geändert hat in diesen letzten vier Wochen: Der Regierungschef hat immer noch keine Kontrolle über sämtliche Sicherheitsdienste, eine Einigung mit den militanten Islamisten von "Hamas" und "Islamischem Dschihad" wenigstens auf eine neue Feuerpause steht weiterhin in den Sternen und Yasser Arafat mischt weiterhin mit – obwohl er sich längst auf eine eher repräsentative Rolle hätte zurückziehen sollen.

Washington ist der Händel müde

In den letzten vier Wochen hat überdies Washington ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass es eine Auszeit von den Bemühungen um eine Regelung zwischen Israelis und Palästinensern nehmen will: Offensichtlich macht ihm die Lage im Irak genug zu schaffen. Wenigstens haben die Amerikaner aber ihre Kontakte zu den Palästinensern und zu "Abu Ala" nicht völlig eingestellt und haben sie diesen eindringlich erklärt, wie man nach Washingtoner Meinung aus der gegenwärtigen Sackgasse herauskommen könne. Es sind die alten Ideen, die auch schon bei Qurei-Vorgänger Mahmoud Abbas nicht umgesetzt werden konnten: Der Regierungschef muss auch die Verantwortung für die Sicherheit haben und er muss Terroranschläge verhindern. Israel seinerseits müsse menschliche Erleichterungen für die Palästinenser anbieten, damit nicht noch mehr Hass geschürt werde.

An Kureia dürfte es nicht liegen: Er will mehr Macht, aber er ist doch auch ein zu treuer Mitstreiter Arafats, als dass er diesem seine ständigen Querschüsse verderben würde. So ist es denn fraglich, ob eine Regierung unter Qurei mehr erreichen kann als es die Regierung unter Abbas hatte tun können.

Nur Israel kann den ersten Schritt machen

Wichtig ist hierbei natürlich die Rolle, die Israel künftig zu spielen gedenkt. In der israelischen Öffentlichkeit wächst der Eindruck, dass die bisherige Politik dieser Regierung nicht geeignet ist, eine Lösung herbeizuführen. Und die Einsicht, dass man mit militärischer Macht alleine nicht Terror unterbinden kann, erst recht nicht das Streben der Palästinenser nach Freiheit und Eigenstaatlichkeit.

Bestärkt wurden die Israelis in dieser Erkenntnis in letzter Zeit gerade durch Militärs: Zuerst die Offiziere, die in einem offenen Brief erklärten, sie würden künftig nicht mehr an Angriffen in den Palästinensergebieten teilnehmen, weil diese unmoralisch seien und im Widerspruch stünden zu den Grundsätzen der israelischen Streitkräfte. Und jetzt kritisierte Generalstabschef Mosche Ya’alon, die Regierung Scharon tue nicht genug, um eine Entspannung herbeizuführen. Ya’alon warf der Regierung auch vor, sie sei Mahmoud Abbas nicht ausreichend entgegengekommen und habe deswegen sein Scheitern mit verursacht. Gleichzeitig warnte er, diesen Fehler solle und dürfe man bei Ahmed Kureia nun nicht wiederholen.

Noch tief im Graben verschanzt

Während die Regierung Scharon sich in der Tat mehr auf den Bau eines Milliarden teuren und international verurteilten "Sicherheitszauns" konzentriert und auf den Ausbau von Siedlungen in den Palästinensergebieten, kommen nur halbherzige Zeichen, dass man die Mahnungen aus Washington und aus dem eigenen Generalstab verstanden hat: So wurde angekündigt, eine Reihe von Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung zu gestatten. Unter anderem dürfen wieder Arbeiter aus dem Gazastreifen und – begrenzt – auch aus der Westbank wieder nach Israel zur Arbeit fahren. Und Ariel Scharon spricht neuerdings auch davon, dass er zu Verhandlungen mit Ahmed Kureia bereit sei – obwohl er diesen zunächst als "Arafat-Mann" abgelehnt hatte.

Von palästinensischer Seite scheint man sich noch nicht sicher zu sein. Grundsätzlich sei man natürlich auch zu Gesprächen bereit, es sei aber noch nichts vereinbart. Zunächst einmal dürfte man mit sich selbst beschäftigt sein: Mit der endgültigen Zusammenstellung der Regierung Kureia und ihrer Annahme durch das palästinensische Parlament. Dass "Abu Ala" bereit ist, weiterzumachen, ist immerhin ein positives Zeichen. Wenn auch nur ein recht kleines.