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20 Jahre Klüngelbeutel

13. Juni 2010

Seit 20 Jahren sind sie nun schon dabei und nehmen die Kirchen auf’s Korn: Katholen, Evangelen und Gläubige aller Art müssen verbal einiges über sich ergehen lassen, wenn die vier Ensemblemitglieder auftreten.

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'Klüngelbeutel'-Plakat (Foto: Angelika Wuttke)
"Klüngelbeutel"-PlakatBild: Petra Nicklis

Nur Pfarrer zu sein, das sei ihm zu wenig gewesen. Mittlerweile hat Wolfram Behmenburg auf eine halbe Pfarrstelle reduziert. Strikt trennt er seine beiden Berufungen, die zum Mann Gottes und die zum Kabarettisten: Niemals würde er in der eigenen Gemeinde auftreten. Vor zwei Jahrzehnten hat er den "Klüngelbeutel" zusammen mit seiner Frau gegründet. Später machten noch sein Schwager, ebenfalls Pfarrer, und dessen Frau mit. Damit war das Ensemble des "Klüngelbeutels" komplett. Die Themen findet Behmenburg, indem er mit offenen Augen und Ohren durch die Welt läuft, wie er sagt. Und die kommen beim Publikum an. Aufführungsort ist die katholische Hochschulgemeinde in Köln. Die Vorstellung der "Klüngelbeutel" ist ausverkauft. 300 Besucher, ab 40 Jahre aufwärts, füllen den Saal. Doch christlich oder gar katholisch wird es an diesem Abend nicht zugehen. Dafür stehen die zwei Pfarrer-Ehepaare gerade.

Seltenheitswert: Christen in freier Wildbahn

'Klüngelbeutel'-Premiere von 'Gott ist ein Hütchenspieler' (Foto: Angelika Wuttke)
"Klüngelbeutel"-PremiereBild: Angelika Wuttke

Geboten werden Lieder, darunter ein Rap, und jede Menge Sketche. Die Nummer "Christen suchen ein Zuhause" ahmt Tiersendungen im deutschen Fernsehen nach. Nur diesmal sollen nicht ausgesetzte oder allein gelassene Kleintiere vermittelt werden, sondern verfolgte oder arbeitslos gewordene Christen. Aus Katzen, Hunden und Meerschweinchen werden kurzerhand Christen, die ein Zuhause suchen. Ganz in der Sprache der Tiersendungen wollen die "Klüngelbeutel" das Herz der Zuschauer erwärmen "für eine Spezies, die hierzulande schon mal bessere Tage gesehen hat". Die Vermittlung heimatlos gewordener Christen sei gerade heutzutage ein großes Problem. Sei es die in der Gemeinde aufopferungsvoll aktive Katholikin, deren Kirche nun leider eine große deutsche Bank gekauft habe, sei es der aus dem Irak geflohene, traumatisierte Christ.

Wir wollen doch nur spielen

Kirchenkabarett 'Klüngelbeutel', Premiere von 'Gott ist ein Hütchenspieler' (Foto: Angelika Wuttke)
"Klüngelbeutel"-Premiere: "Gott ist ein Hütchenspieler"Bild: Angelika Wuttke

Wolfram Behmenburg schreibt die Texte und spielt immer vorne mit. Ihm macht sein Leben als Kabarettist "tierisch viel Spaß", wie er sagt. Außerdem könne man auf diese Art und Weise Dinge und Missstände benennen, die man sonst nicht so ohne weiteres ansprechen könne. Zum Beispiel den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Das Thema sei ein Muss für’s Programm und natürlich auch immer eine Gratwanderung. Aber grenzwertig müsse Kabarett ja auch sein. Und so steht Behmenburg dann auch schon mal im schwarzen Bischofsgewand auf der Bühne und plaudert aus dem Nähkästchen. Vor ihm ein Glas Rotwein. In seiner Kirche gebe es den Zölibat, Frauen dürften keine Priester werden und Verhütungsmittel selbst innerhalb der Ehe seien verboten. "Päpstlicher als der Herrgott selber", komme ihm das alles vor. Man sei dermaßen mit dieser "uralten Moral" beschäftigt, fährt der Bischof alias Wolfram Behmenburg fort, dass man die wirklichen Verbrechen gar nicht mitbekomme: nämlich den Kindesmissbrauch. Auch seien seine Bischofskollegen schnell dabei, wenn es um’s Vertuschen gehe.

Witze der Konfessionen

Und weil die römisch-katholische Kirche momentan einfach mehr Gesprächsstoff bietet, kommt sie auch häufig im aktuellen Programm vor. Katholiken sind ja im Allgemeinen sehr stolz auf ihre Trutzburg des wahren Glaubens: den Vatikan in Rom. Dazu der folgende Witz: "Im Himmel wird Betriebsausflug geplant. Erster Vorschlag: Jerusalem. Näää, sagt Jesus, bitte nicht Jerusalem, da habe ich ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Nächster Vorschlag: Bethlehem. Vergiss es, sagt Maria, da kriegst du nie ein Zimmer. Dritter Vorschlag: Rom. O ja, Rom, sagt der Heilige Geist. Rom finde ich super. Da war ich noch nie." Was soll der gemeine Katholik dazu sagen, dass der Heilige Geist noch nie in Rom beim Papst war?! Das Publikum jedenfalls lacht schallend. Die beiden evangelischen Ehepaare schonen indes die eigene Konfession keineswegs. Im Gegenteil: mit einem Wortspiel der derben Art wird der Protestanten gedacht. "85 Prozent der evangelischen Pfarrfrauen finden ihren Arsch zu dick. Zehn Prozent finden ihn zu dünn. Immerhin fünf Prozent finden ihn okay so wie er ist und sind immer noch zufrieden, dass sie ihn geheiratet haben." Und so bekommt den jede Glaubensrichtung ihr Fett ab. Denn Kabarett muss - zumindest ein bisschen - weh tun. Wolfram Behmenburg jedenfalls macht weiter: als Kabarettist und Pfarrer. Dass das kein Widerspruch sein muss, beweist das Kirchenkabarett "Klüngelbeutel".

Autorin: Petra Nicklis

Redaktion: Gudrun Stegen