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Prekäre Stabilität in Afghanistan

Christoph Grabenheinrich12. Februar 2002

Afghanistan kommt nicht zur Ruhe. Allein in den vergangenen zwei Wochen sind bei bewaffneten Auseinandersetzungen 100 Menschen getötet worden. Eine friedliche Lösung ist nicht oder nur bedingt in Sicht.

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Frauen und Kinder in KabulBild: AP

In Gardes, der Hauptstadt der östlichen Provinz Paktia, kämpfen zwei verfeindete Paschtunen-Clans um die Macht. Die Truppen des örtlichen Stammesrates wollen den von der Interimsregierung ernannten Gouverneur, Badscha Khan Sadran, nicht anerkennen und haben ihn mit Waffengewalt vertrieben. Über 50 Menschen kamen dabei vorletzte Woche ums Leben.

Die Interimsregierung schickte daraufhin eine Delegation, die zumindest einen Waffenstillstand bewirken konnte. Die Friedensverhandlungen am 10. Februar mit Interimsführer Hamid Karsai in Kabul verliefen erfolglos. Gouverneur Sadran kündigte an, die Stadt zurückerobern zu wollen.

Auch in der Provinz Chost droht Blutvergießen

In der Nachbarprovinz Chost könnte sich das Debakel wiederholen. Der dortige Stammesrat will den von Karsai ernannten Gouverneur, einen Bruder von Sadran, ebenfalls nicht anerkennen. Ein örtlicher Kommandeur drohte bereits mit Blutvergießen, falls Karsai nicht in Absprache mit dem Stammesrat einen neuen Gouverneur ernennen würde.

Außerhalb Kabuls kann sich die Interimsregierung bislang kaum durchsetzen. In der Hauptstadt hat die Interimsregierung das Heft in der Hand. Dort gibt es bereits eine eigene Polizei und die Hilfe der Internationalen Sicherheitstruppen. Außerhalb der Hauptstadt ist Hamid Karsai auf Verhandlungen angewiesen. Eine nationale afghanische Armee muss erst noch aufgebaut werden. Über 700.000 Menschen sind aber noch bewaffnet, schätzt Außenminister Abdullah.

Der Kampf um die Macht

Das Land ist nach 23 Jahren Krieg immer noch in Dutzende verschiedene Fraktionen zersplittert: verschiedene ethnische Volksgruppen, alte Kriegsherren und Drogenbarone. Sie kämpfen um ihr Stück vom Kuchen der Macht und geben in den verschiedenen Regionen den Ton an.

Hinzu kommen versprengte Taliban und Al-Kaida-Kämpfer, die laut Angaben der afghanischen Behörden versuchen, neue Allianzen mit lokalen Machthabern zu schmieden. Selbst Taliban-Chef Mullah Omar, der immer noch in Afghanistan vermutet wird, konnte bislang nicht gefasst werden.

Interimsregierung nur in Kabul stark

Die Interimsregierung ist sich ihrer schwachen Position bewusst und wiederholt fast gebetsmühlenartig ihre Bitte um Verlängerung und Ausweitung des Mandats der Internationalen Sicherheitstruppen; die ist bislang nur in Kabul tätig. Die US-Spezialeinheiten versuchen sich aus den regionalen Machtkämpfen weitgehend herauszuhalten. Ohne solche Hilfe bleibt der Interimsregierung in großen Teilen des Landes aber nur die Macht des Wortes.

Im Norden Afghanistans scheint das gefruchtet zu haben, allerdings auch nicht ohne internationale Hilfe. Die drei zerstrittenen Fraktionen in Masar-i-Scharif haben sich auf einen von der UNO vorgeschlagenen Sicherheitsplan geeinigt. Zuvor waren bei den Kämpfen zwischen den usbekischen Truppen von General und Vizeverteidigungsminister Raschid Dostum und denen des tadschikischen Generals Atta Mohammed über vierzig Menschen getötet worden.

Die Macht der Worte

Ob der Sicherheitsplan aber den erhofften Frieden bringt, bleibt abzuwarten. In Masar-i-Sharif sind noch hunderte Bewaffneter beider Seiten. Die Macht des Worte ist in Afghanistan außerdem nur so lange gültig, bis eine der Streitparteien es sich anders überlegt.