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Premiere: Deutschland-Tag im ukrainischen Parlament

17. November 2005

Am 16. November hat im Obersten Rat der Ukraine die erste ukrainisch-deutsche parlamentarische Anhörung stattgefunden. Schwerpunkt des Dialogs waren Probleme und Aussichten der Wirtschaftskooperation.

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Parlament in KiewBild: AP

Üblicherweise sind Anhörungen im ukrainischen Parlament aktuellen Problemen des Landes gewidmet. Deswegen gilt die ukrainisch-deutsche Anhörung als außergewöhnliches Ereignis. Regierungsmitglieder und Politiker beider Länder sprachen darüber, ob die Ukraine sich in ihrem Streben nach einer euroatlantischen Integration auf Deutschland stützen kann. Nach Russland ist Deutschland der größte Handelspartner der Ukraine. Beide Staaten haben mehrere Dutzend Abkommen unterzeichnet. Deutschland gewährt den Ukrainern mehr als die Hälfte aller Visa, die sie für den Schengen-Raum erhalten.

Deutschland unterstützt Reformen

Der stellvertretende ukrainische Außenminister Oleh Schanzew sagte: „Wir, die Ukraine und Deutschland, müssen den Stand und die Aussichten der Entwicklung der ukrainisch-deutschen Beziehungen neu betrachten. Wir rechnen mit der Unterstützung der neuen deutschen Bundesregierung für die euroatlantische Integration der Ukraine.“

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages versicherten, an einer Zusammenarbeit mit der Ukraine interessiert zu sein. Sie stellten aber der Ukraine erneut keine EU-Mitgliedschaft in Aussicht. Der CDU-Abgeordnete Manfred Grund betonte, im Koalitionsvertrag der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD sei deutlich das Ziel formuliert, demokratische Reformen in der Ukraine zu unterstützen und den Aktionsplan zwischen der EU und der Ukraine vom Februar 2005 umzusetzen. Er forderte aber die Ukraine auf, selbst ihren Platz in Europa zu suchen. Der deutsche Parlamentarier hob hervor, Deutschland sei ein besonderer Freund der Ukraine, aber eine gewisse undurchsichtige Politik Kiews – beispielsweise die Erstellung von Wählerlisten „hinter verschlossenen Türen“ – sorge für Misstrauen.

Marktöffnung empfindliche Frage

Der politische Teil der parlamentarischen Anhörung endete mit allgemeinen Erklärungen, aber die Diskussion über die Wirtschaftskooperation verlief lebhaft und konkret. Peter Lorens vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bewertet die Chancen der Ukraine, der WTO beizutreten, als gut. Er betonte aber die Grundsätze, nach denen sich Berlin auch in der Wirtschaftskooperation mit der Ukraine richtet: „Europa kann nur dann zusammenwachsen, wenn es eine offene Handelspolitik betreibt.“

Gerade die Frage offener Märkte ist für die Ukraine das empfindlichste Problem in den Beziehungen zu ihren europäischen Partnern. Ein typisches Beispiel: Der große deutsche Investor Leoni stellt in der Ukraine Teile für die europäische Automobilindustrie her. Die Produktion ist ausschließlich für Westeuropa bestimmt und deswegen war diese Firma bis vor kurzem in der Ukraine vom Zoll befreit. Plötzlich änderte sich die Lage. Walter Lahmann von der Firma Leoni: „Durch die amtierende Regierung wurde diese Regelung, die es auch hier gab, und mit der viele Investoren hierher gekommen sind, leider einseitig und ohne Ankündigung aufgehoben.“

Jetzt sind über 7000 Arbeitsplätze in der Ukraine gefährdet. Übrigens ist die Zollbefreiung solcher Güter Bedingung für einen Beitritt zur WTO, den Kiew anstrebt. Die deutschen Investoren fordern, die weltweit übliche Praxis einzuhalten. Lahmann sagte in diesem Zusammenhang: „Wir verlangen keine Sonderregelung, wir verlangen schon gar keine illegale oder irgendwie nicht ganz geradlinige Bevorzugung.“

Aufruf der deutschen Wirtschaft

Die Vertreterin der deutschen Wirtschaft in der Ukraine, Karin Rau, bezeichnete die Lage als kritisch. Sie rief die ukrainische Regierung und die Gesetzgeber auf, die Reform der Gesetzgebung zu beschleunigen: „Ich ersuche Sie im Namen der Wirtschaft. Unterstützen Sie diesen Prozess, bevor die geschaffenen Arbeitsplätze wieder zurückgehen nach Polen, in die Slowakei und nach Tschechien.“

Olena Hryschtschuk, Kiew

DW-RADIO/Ukrainisch, 16.11.2005, Fokus Ost-Südost