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Presse: "Eine Strafe für Deutschland"

Zusammengestellt von Nadim Abdul-Karim17. August 2004

Das US-Verteidigungsministerium hat seine Pläne zum Abzug von zwei Heeresdivisionen aus Deutschland bekräftigt. Die internationale Presse ist sich einig: Der Truppenrückzug ist eine Bestrafung für Deutschland.

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"Nun wird in vielen Gemeinden gejammert, weil die USA den Großteil ihrer Truppen aus Deutschland abziehen", so die deutsche Bild-Zeitung am Dienstag (17.08.04) "Auch dort, wo man vor einem Jahr gar nicht genug gegen den Irak-Krieg protestieren konnte mit Transparenten: Ami go home! Drei Gründe sind für den Abzug maßgebend: Der Kalte Krieg ist längst vorbei. Die Amerikaner brauchen in Europa keine schweren Divisionen mehr. Ein Teil der beweglichen Truppen geht nach Osteuropa. Dort sind sie willkommen, und der Nahe Osten liegt in Reichweite. Der deutsche Bündnispartner ist nicht mehr der Alte. Es ist auch der Anti-Amerikanismus, der die Räder in Bewegung setzt. Ein Kapitel der Geschichte geht zu Ende. Die Amerikaner haben Europa gerettet, verteidigt und durch ihre Atomstrategie den Krieg verhindert. Wenn Alliierte gehen, spüren denkende Menschen, wie wertvoll sie für uns waren: Als Beschützer, Faktor der Stabilität, als Brücke über den Atlantik. Wir sollten ihnen zumindest ein Dankeschön nachrufen", so die Bild-Zeitung.

Nach Berichten der belgischen Tageszeitung De Morgen muss das "alte Europa", wie es US- Verteidigungsminister nennt, von den Amerikanern noch bestraft werden. "Der Schlag des Truppenabzuges wird für Deutschland am schwersten sein. Tausende deutsche Bürger und verschiedene Unternehmen arbeiten direkt oder indirekt für die amerikanischen Militärs. "Für ein Land mit mehr als vier Millionen Arbeitslosen ist das keine gute Nachricht."Ein Land wie die Türkei werde immer wichtiger, weil es nah am Konfliktherd im Nahen Osten liege, so "De Morgen". Es könne deshalb von den Vereinigten Staaten eine noch größere militärische Rolle zugeteilt bekommen.

Auch die römische Zeitung Il Messaggeero kommentiert die Pläne des Truppenabzuges und schreibt: "Man sprach seit längerem davon. Mindestens seit ein paar Jahren. Aber Bush hat mit der Entscheidung bis zum Wahlkampf gewartet, damit sie größtmögliche politische Wirkung hat. Es wird gemeinhin angenommen, dass die Entscheidung auf Zustimmung der Wählerschaft trifft und das Weiße Haus hofft, dass sie die Popularität des Präsidenten steigert. Aber auch der Verdacht, dass hinter der Entscheidung auch der Wunsch verborgen ist, Deutschland zu bestrafen, wird im römische Blatt erwähnt. Schließlich soll ein Teil dieser abgezogenen Truppen in die ehemaligen Sowjetrepubliken verlegt werden, die seinerzeit wiederum die Verbündeten im Irak unterstützt hatten."

Die konservative französische Zeitung Le Figaro ist von einer Betstrafung für Gerhard Schröder, "der es gewagt hat, sich dem Irak-Feldzug zu widersetzen", überzeugt. "Ein anderer, vom Pentagon wohlweislich verschwiegener Vorteil: Mit der Verringerung der Zahl der Amerikaner in Korea schwindet auch die Wirkung der Erpressung mit der Atombombe, von der Pjöngjang träumt. Vor allem aber kann man mit dieser Truppenverlegung zeigen, dass John Kerry, der demokratische Kandidat für das Weiße Haus, die Öffentlichkeit täuscht. Nämlich wenn er fordert, zusätzlich zwei Divisionen, also 40.000 Mann, zur Verstärkung der 150.000 GIs einzuberufen, die im Irak nicht vorankommen. Oder, noch schwerwiegender, wenn er erklärt, dass George W. Bush nach seiner Wiederwahl die nach dem Vietnamkrieg abgeschaffte Wehrpflicht wieder einführen wird. Um das Weiße Haus zu behalten, ist jedes Argument recht."