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Pressefreiheit in China: Der Fall "Gefrierpunkt"

Erning Zhu2. Mai 2006

Das jüngste Schicksal der Wochenbeilage der chinesischen Jugendzeitung "Gefrierpunkt" (chinesisch: Bingdian) wirft ein bezeichnendes Licht auf den Stand der Pressekontrolle und der Pressefreiheit in China.

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Was ist geschehen? Am 24. Januar 2006 erhielt der Chefredaktion von "Bingdian" die Mitteilung, die Wochenbeilage werde vorläufig eingestellt. Zum ersten Mal seit der Kulturrevolution wurde eine Publikation, die direkt der Parteizentrale untersteht, ohne öffentliche Begründung geschlossen. Offensichtlich sind ihre kritischen Reportagen und Essays der Grund.

Protest im Internet

Chefredakteur Li Datong zeigte seine Empörung durch lautstarken Protest. Nie zuvor hat sich ein Vertreter der Medien Chinas so offen und so massiv der Zensur widersetzt und diese sogar mit parteirechtlichen Mitteln angefochten. Er reichte eine Klage bei der Disziplinkontrollkommission der Parteizentrale ein und veröffentlichte seinen Beschwerdebrief im Internet. Zwar wurde dieser Brief schon nach 20 Minuten entfernt. Das reichte aber, um ihn zigtausendfach zu kopieren und zu verbreiten. Auf dieser Grundlage hat sich ein Solidaritätsbündnis für Li gebildet. Zahlreiche Stimmen aus Kultur und Politik, Wissenschaft und Wirtschaft meldeten sich zum Wort, unter ihnen viele bekannte Intellektuelle. Alle verlangten, dass das Blatt wieder erscheinen müsse. Niemand hatte damit gerechnet, dass ein so großer öffentlicher Druck gegen die Zensurbehörde aufgebaut werden könnte.

Teilerfolg

Es hat nur einen Monat gedauert, bis das Propagandaministerium einsah, dass der Kampf gegen eine so breite Öffentlichkeit nicht zu gewinnen ist. Prompt wurde der Beschluss gefasst, dass "Bingdian" wieder erscheinen darf, allerdings mit der Auflage, zwei verantwortliche Chefredakteure zu versetzen.

Zeichen der Zeit

Der Fall "Bingdian" hat in der chinesischen Presselandschaft gleich mehrere Neuerungen gebrochen. Der wichtigste ist, dass der Widerstand gegen die Zensur diesmal nicht von der Opposition ausging, sondern von einem staatlichen Blatt, das der Kommunistischen Partei sehr nahe steht. Die Widerstandsbewegung hat das Internet zudem als ein besonders wirkungsvolles Medium erkannt und genutzt. Das Internet ist, Chefredakteur Li Datong zufolge, zur effektivsten Waffe im Kampf gegen die Diktatur geworden. Er meint auch, dass die kritische Berichterstattung heute in China weiter gediehen ist, als jemals zuvor. Das Problem sei das System. Der Konflikt mit ihm werde sich zunehmend radikalisieren.