1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kriegsberichterstattung

Ulrike Mast-Kirschning10. Mai 2008

Jahr für Jahr geht die Todesstatistik der Reporter ohne Grenzen in die Höhe. Zwar sind Journalisten völkerrechtlich geschützt, dieser Schutz wird jedoch zunehmend wirkungslos, sagen Experten.

https://p.dw.com/p/DxRO
Journalisten heben im irakischen Nadschaf die Arme, um nicht beschossen zu werden - dpa
Lebensgefährlich: Journalisten heben im irakischen Nadschaf die Arme, um nicht beschossen zu werden (Archivbild)Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Wenn Journalisten aus Kriegs- und Krisengebieten berichten, sind es ihre Informationen, mit denen sich die Menschen weltweit ein Bild von der Lage machen. Damit sie wahrheitsgetreu berichten können, brauchen sie nicht nur Akzeptanz. Sie müssen auch einen Anspruch auf den Schutz des Staates haben, sagt Günter Nooke, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, kürzlich auf einer Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen (ROG) in Berlin. "Wenn die Überwindung von Konflikten und die Schaffung von Frieden ein hohes politisches Ziel ist, dann müssen die Staaten auch ein starkes Interesse an einer freien und wahrheitsgemäßen Berichterstattung über Krieg und Krisen haben", sagt Nooke.

Journalisten als fünfte Front

Live im Krieg: ZDF-Bericht 2003 aus Bagdad - AP
Live im Krieg: ZDF-Bericht 2003 aus BagdadBild: AP/ZDF

Ulrich Tilgner, einer der bekanntesten deutschen Auslandsreporter, sieht Kriegsreporter zunehmend in Gefahr. "Sie sind in den Augen der kämpfenden Parteien die fünfte Front in einem Krieg." Die Lage für sie werde immer komplizierter, unter anderem weil die Konfliktgruppen aus der Zivilgesellschaft heraus agieren.

Auch die Produktionsbedingungen haben sich weltweit verändert. Stefan Pauli vom Hessischen Rundfunk ist seit über 25 Jahren als Krisenreporter unterwegs. Er macht zunehmend die Erfahrung, "dass wir heute fast auf der ganzen Bandbreite in der Lage sind, von jeder Sanddüne aus live zu berichten, aber keine Ahnung mehr haben, was hinter der Sanddüne los ist." Grund dafür sei das "Faszinosum live". "Man sagt: Wir haben doch diese Woche schon drei, vier, fünf Mal aus dem Irak oder aus XY geschaltet. Was müssen wir jetzt noch irgendwo ein Hintergrundstück machen?", erklärt Pauli.

Lokale Mitarbeiter - nützlich und in Gefahr

Führt also der ökonomische Druck und die Konkurrenz unter den Fernsehsendern, die auf ihre Einschaltquoten achten, zu inhaltlichen Verlusten? Das sei nicht das einzige Problem, sagt Christoph Maria Fröhder, der bereits 1975 aus Pnom Phen über den Einmarsch der Roten Khmer berichtete. Vor Ort seien Reporter wegen des Zeitdrucks und der kurzen Aufenthaltsdauer zunehmend auf lokale Mitarbeiter, so genannte Stringer, angewiesen - und diese darauf, ihre Informationen zu verkaufen. Auch das habe Folgen für die Qualität der Beiträge. "Der Grundauftrag ist schwer erfüllbar, wenn man, sagen wir es ganz brutal, auf den Spuren von CNN läuft. Dann können Sie nicht die eigene Hintergrundgeschichte machen." Die Gefahr bestehe, dass man keine exklusiven Interviewpartner bekomme, weil der Stringer den Aufwand gering halten wolle und Experten vermittle, die bereits in Sendern wie CNN aufgetreten seien.


Michael Rediske von Reporter ohne Grenzen
Kritisch: Michael Rediske von Reporter ohne GrenzenBild: D. Gust

"Wir sehen, dass es immer öfter Stringer sind, die umkommen, das sind über 80 Prozent der Fälle", sagt Michael Rediske, Vorstandsprecher der deutschen ROG-Sektion. Die Zuwächse bei der Zahl getöteter Journalisten in Krisenregionen wie dem Irak sei darauf zurückzuführen. Die häufigeren Einsätze von Stringern bedingen, dass diese öfter Bilder liefern, die aber nicht immer professionellen Kriterien entsprechen. "Ich sehe nicht, dass man im Moment Kriterien hat, diese Bilder genügend zu prüfen", sagt Rediske. Bilder auf Inhalt und Quelle zu prüfen ist eine Aufgabe, die gerade in Krisensituation zum Handwerk des Reporters gehört. Ein Handwerk, dass immer gefährlicher wird.


Kriege mit Bildern entscheiden

"Bei Armeen, irregulären Truppen und Terrorgruppen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kriege nicht zuletzt auch mit Nachrichten und Bildern entschieden werden", erklärt Günter Nooke. "Die Neigung mancher Konfliktparteien, massiv auf Journalisten einzuwirken bis hin zur Tötung unliebsamer Berichterstatter hat dadurch zugenommen." Auf Initiative von Griechenland und Frankreich hatte sich der UN- Sicherheitsrat Ende 2006 mit der wachsenden Gefährdung von Journalisten befasst. Maria Telalian hat am Entwurf der Resolution mitgearbeitet: "Der Text bittet alle Konfliktparteien, Journalisten und Medienmitarbeiter zu respektieren und besonderen Schutz zu gewährleisten", sagt sie.

BdT Aktion von Reporter ohne Grenzen in Berlin
Anfang Mai in Berlin: Reporter ohne Grenzen demonstrieren mit einem Haus der Pressefreiheit für die Rechte von JournalistenBild: picture-alliance/ dpa

Die Resolution 1738, die der Sicherheitsrat am 20. Dezember 2006 annahm, verurteilt die Tötung von Journalisten und bestätigt deren Status als geschützte Zivilisten. Ein Problem besteht weiterhin: die Straflosigkeit der Täter. In neun von zehn Fällen, berichtet Mogens Schmidt, stellvertretender UNESCO-Direktor für Kommunikation und Information, würden die Mörder nicht verfolgt.

Der politische Wille zählt


Es mangelt nicht an völkerrechtlich verbindlichen Regeln zum Schutz der Reporter sondern an deren Durchsetzung. Da es hier vor allem auf den politischen Willen ankommt, fordert die Resolution die UN-Staaten auf, künftig darzustellen, was sie zum Schutz der Journalisten und zur Strafverfolgung der Täter unternommen haben. Ein Thema, dem die Staatengemeinschaft insgesamt zukünftig mehr Beachtung schenken will. Aus gutem Grund: Denn Morde an Journalisten sind nicht nur ein persönliches Drama - sondern immer auch ein Angriff auf die Pressefreiheit, die zunehmend in Gefahr gerät.